Die Bräute des Satans
Gott kein Mangel geherrscht hatte, konnte er verzichten.
Seine Befürchtungen sollten sich nicht bewahrheiten. Kaum hatte er den Elemosinarius entdeckt, atmete Bruder Hilpert auf. Und das hatte seinen Grund. Bruder Oswin, der den verschütteten Wein aufwischte, konnte niemandem etwas zuleide tun. Allein der Gedanke daran wirkte absurd, weshalb sich die Züge des Bibliothekarius merklich entspannten. »Immer zur Stelle, um Euren Mitbrüdern zu Diensten zu sein!«, rief er anerkennend aus, woraufhin sich der knapp neunundzwanzigjährige, gebeugt gehende und scheue Elemosinarius erhob.
»Habt Dank«, nuschelte er und vermied es, Bruder Hilpert in die Augen zu schauen. »Und … und eine geruhsame Nacht.«
Für den Elemosinarius, der seine Tätigkeit fortsetzte, war die Unterhaltung damit beendet. Der Bibliothekarius stutzte, und während Bruder Oswin in die Knie ging, nach dem Scheuerlappen griff und ihn in den bereitstehenden Eimer tauchte, blieb er einfach stehen. Der Elemosinarius tat so, als sei sein Mitbruder überhaupt nicht da, putzte, scheuerte und wischte, was das Zeug hielt. Das verschaffte Bruder Hilpert die Gelegenheit, den Mönch näher in Augenschein zu nehmen, und während er dies tat, wurde ihm klar, dass er kaum je ein Wort mit dem Almosensammler gewechselt hatte.
»Gern geschehen«, fügte Bruder Hilpert reichlich spät hinzu, was dazu führte, dass der Elemosinarius umso verbissener zu Werke ging. Sein Bestreben, ihn loszuwerden, war deutlich zu spüren, doch davon ließ sich Bruder Hilpert nicht beeindrucken. War seine Neugier geweckt, gab es nichts, das ihn von seinem Weg abbringen konnte, und so rührte er sich keinen Zoll von der Stelle.
Kurze Zeit später war die Arbeit des Elemosinarius beendet, und während er seine Utensilien zusammenraffte, wagte Bruder Hilpert einen weiteren Versuch. »Aufregender Tag heute«, begann er erneut, gerade so, als spräche er mit sich selbst. Natürlich war dies eine absolute Untertreibung, am Tod eines Mitbruders gemessen sogar frivol. Unter normalen Umständen wäre Bruder Hilpert eine derartige Bemerkung wohl kaum entschlüpft, und seine Reue kam erst, als es zu spät dafür war.
»So, meint Ihr«, gab der Elemosinarius zurück, weiterhin ohne Blickkontakt aufzunehmen. »Für mich war es ein Tag wie jeder andere.«
»Für mich nicht.« Angesichts der Gleichgültigkeit, auf die der Tod von Bruder Severus gestoßen war, war Bruder Oswins Bemerkung nichts Besonderes. Der Bursarius war nicht sonderlich beliebt gewesen, keine Frage. Neu war allerdings die Offenheit, mit der sich der Almosenempfänger äußerte. Neu und bezeichnend zugleich.
»Kann ich verstehen.« Eimer und Scheuerlappen in der linken, die Laterne in der rechten Hand, wandte sich der Elemosinarius zum Gehen. »Morde gibt es hier ja wohl recht selten.«
»Der heilige Bernhard möge mir meine Aufdringlichkeit verzeihen, aber …«
»Wie unbedacht von mir. Ich meinte natürlich einen Mord.«
»Selbstverständlich.« Bruder Hilpert runzelte die Stirn, ging jedoch nicht weiter auf Bruder Oswins Bemerkung ein. »Und Severus?«, versuchte er stattdessen, seinen Gesprächspartner aus der Reserve zu locken. »Wie gut, wenn die Frage erlaubt ist, habt Ihr den zu Gott Berufenen eigentlich gekannt?«
»Zu Gott? Woher wollt Ihr das wissen, Bruder?«
Bruder Hilpert verstummte. Ganz allmählich bekam er den Eindruck, der Bursarius sei regelrecht verhasst gewesen. Wenn selbst Bruder Oswin, die Schüchternheit in Person, mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hielt, hatte das für seine Ermittlungen nichts Gutes zu bedeuten. Dann würde es nicht nur ein, zwei oder drei, sondern gleich ein Dutzend Verdächtige geben. »In der Tat, Bruder Oswin –«, pflichtete er dem Elemosinarius bei, während er in einen raueren Tonfall verfiel, »darüber entscheidet Gott letztendlich allein. Wenn mich jedoch nicht alles täuscht, hatte ich Euch nach dem Grad Eurer Vertrautheit gegenüber Bruder Severus gefragt.«
»Ein Mitbruder wie jeder andere. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
»Merkwürdig.«
Im Begriff, die Kirche zu verlassen, drehte sich der Elemosinarius abrupt um. »Was denn?«, fragte er, hart an der Grenze zur Unhöflichkeit.
Bruder Hilpert ließ sich mit seiner Antwort Zeit und musterte sein Gegenüber eine ganze Weile. Gaben, über die andere verfügten, waren bei Bruder Oswin nicht vorhanden. Allein die Art, mit der er ihn taxierte, wirkte alles andere als freundlich, und seine Blässe mitsamt
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