Die Bräute des Satans
Anders war dieses makabre Spiel ja wohl nicht zu erklären.
Oder etwa doch?
Sei’s drum, dachte sich Bruder Hilpert und wandte sich wieder seiner Spurensuche zu. Beim Aufräumen waren die Arbeiter der Bauhütte nicht übermäßig gründlich gewesen, weshalb im Osttrakt des Kreuzganges, wo er sich gerade aufhielt, diverse Gegenstände herumlagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie es eilig gehabt, von hier wegzukommen. Schließlich war gestern Samstag gewesen, der Schankraum zum Bersten voll. Da konnte es leicht passieren, dass man es mit der Ordnung nicht so genau nahm und die Hämmer, Meißel und Sägen einfach liegen ließ. Dementsprechend unordentlich sah es hier aus, wie um das Chaos perfekt zu machen, befanden sich die Leitern, mit deren Hilfe die Arbeiter aufs Gerüst geklettert waren, noch an Ort und Stelle.
Rechtschaffen müde, gab Bruder Hilpert die Suche nach Indizien schließlich auf. In der gegenwärtigen Situation würde ihm etwas Ruhe bestimmt guttun, weshalb er nach der Laterne griff, sich umwandte und den Weg zum Dormitorium einschlug. Das heißt, er beabsichtigte dies zu tun, denn er war noch keine zehn Schritt weit gekommen, als er mit dem rechten Fuß an eine Truhe stieß, ins Taumeln geriet und der Länge nach zu Boden fiel.
Der Schaden, den ihm seine Unachtsamkeit bescherte, war indes gering, und Bruder Hilpert rappelte sich rasch wieder auf. Zum Glück war die Laterne nicht erloschen, weshalb er seinen Weg hätte fortsetzen können. Aus einem unerfindlichen Grund ließ der Bibliothekarius jedoch von seinem Vorhaben ab und wandte sich der Truhe zu, über die er soeben gestolpert war. Sie war recht groß, etwa sechs auf vier Fuß, mit Eisen beschlagen und einem Vorhängeschloss versehen, welches allerdings nicht verschlossen war. Angesichts einer derartigen Pflichtvergessenheit konnte Bruder Hilpert nur den Kopf schütteln. Als er das Schloss entfernte, den Deckel hob und in das Behältnis hineinleuchtete, hellte sich sein Blick hingegen auf.
Die Truhe war leer, bis auf einen Meißel, der scheinbar achtlos hineingeworfen worden war. Warum, war Bruder Hilpert zunächst ein Rätsel. Als er den Meißel in die Hand nahm und gegen das Licht hielt, wurde ihm der Grund hierfür rasch klar.
An seinem oberen Ende klebte Blut. Nicht eben viel, doch genug, um Bruder Hilperts Verdacht zu bestätigen.
Das Corpus Delicti.
Endlich.
Und da war noch etwas. Bruder Hilpert beugte sich nach vorn und inspizierte die Truhe. Blutflecken, mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Darüber hinaus winzige Hautpartikel. Knochensplitter. Alles eindeutige, unwiderlegbare Indizien. Der Bibliothekarius erschauderte. So sehr, dass ihm beinahe der Meißel entglitten wäre. Schuld daran war der Geruch, welcher dem Behältnis entströmte. Es war der Odem des Todes, und Bruder Hilpert musste nicht lange herumrätseln, von wem er stammte.
Der Bibliothekarius hatte genug gesehen. Als ob nichts gewesen wäre, legte er den Meißel zurück, richtete sich auf und schloss die Truhe. Das Fenster, vor dem sie stand, war erst zur Hälfte fertig, und die Luft von draußen tat Bruder Hilpert gut. Der Bibliothekarius atmete tief durch. Langsam, aber sicher kam Ordnung in seine Gedanken, wenngleich noch etliche Fragen offen waren. So zum Beispiel, wo genau Bruder Severus niederschlagen worden war. Wer weiß, vielleicht hatte der Mörder weitere Spuren hinterlassen. Die Suche danach würde sich bestimmt lohnen. Allen Mühen, die damit verbunden sein würden, zum Trotz. Wo beginnen, das war hingegen die Frage.
Eher aus Zufall denn Absicht wandte sich Bruder Hilpert nach rechts, bog um die Ecke und steuerte auf die Brunnenhalle zu. Es war stockfinster, die Stille, die er sonst so schätzte, zehrte an seinen Nerven. Allem Anschein nach war die Suche nach Mechthild immer noch nicht beendet, er, Hilpert, das einzige Konventsmitglied weit und breit.
Wie kaum anders zu erwarten, war die Brunnenhalle leer, und während sich der Bibliothekarius umsah, bekam er auf einmal Durst. Seit dem Mittagessen, bei dem er fast nichts angerührt hatte, war er ohne Unterlass auf den Beinen gewesen, und so stellte er die Laterne auf den Rand der Schale, beugte sich nach vorn – und erkannte das Spiegelbild eines Mannes.
Auf alles gefasst, wirbelte Bruder Hilpert herum. Der Mann, der sich ihm unbemerkt genähert hatte, war über zwanzig, schlank und gut gekleidet. Der Bibliothekarius war sich sicher, ihn noch nie gesehen zu haben, und als dieser ihn
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