Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
unerfindlichen Grund hatte er jedoch einen Narren an mir gefressen. Das heißt, er kam uns hin und wieder besuchen. Doch nur dann, wenn ich zu Hause war. Meine Mutter und er waren nämlich wie Katz und Maus – wie das bei Geschwistern bisweilen der Fall zu sein pflegt.«
    »Ich verstehe.« Bruder Hilpert zog die Stirn in Falten und nahm auf der Fensterbank Platz. »Wie kommt es eigentlich, dass Ihr so schnell zur Stelle gewesen seid?«
    »Daran ist ganz allein meine Mutter Schuld. Er hatte sich verspätet. Undenkbar, gleichwohl wahr. Ja, und dann ist sie mir so lange in den Ohren gelegen, bis ich meinen Schecken gesattelt habe und ihm entgegengeritten bin. Etwa auf halber Strecke habe ich ihn dann am Wegrand liegen sehen. Tot.« Baldauf trat nach vorn und ließ die Hände auf der Brunnenschale ruhen. »Wisst Ihr, was das Eigenartige daran war, Bruder?«
    »Nein, mein Sohn.«
    »Es war sein Blick.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    Baldaufs Kopf sackte nach vorn. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – da war ein Ausdruck in seinen Augen, bei dem einem das kalte Grausen gekommen ist. So als hätte er kurz vor seinem Tod etwas ganz Furchtbares gesehen. Ein Gespenst oder so. Oder einen Dämon.« Der Studiosus hob den Kopf und starrte ins Leere. »Was weiß ich – jedenfalls habe ich mich zunächst nicht getraut, ihn anzurühren.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich mich zusammengerissen, ihn aufs Pferd gehievt und zugesehen, dass ich mich aus dem Staub mache. Da war etwas an diesem Ort, vor dem ich Reißaus genommen habe – kaum zu glauben, aber wahr.«
    »Mit anderen Worten: Ihr habt Euren Oheim zurück auf den Elfinger Hof gebracht und Euch stante pede [29] hierher begeben.«
    »Korrekt.«
    »Aus welchem Grund?«
    Baldauf machte ein verdutztes Gesicht. »Wenn jemand den Kasus aufklären kann, dann wohl Ihr.«
    Bruder Hilpert kam nicht umhin, den jungen Mann anzulächeln. »Euer Wort in Gottes Ohr, mein Sohn. Als ob es nicht schon genug für mich zu tun gäbe.«
    Der Studiosus machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Dessen bin ich mir voll bewusst, Bruder«, lenkte er beschwichtigend ein, nachdem er geraume Zeit in der Tasche herumgekramt hatte. »Mag sein, es hat nichts zu bedeuten, aber … hier: Das habe ich in seinem Lederkoller gefunden.«
    Der Bibliothekarius hob tadelnd den Zeigefinger. »Na, na, junger Mann – tut man so etwas?«, übergoss er den Studiosus mit gutmütigem Spott. »In anderer Leute Taschen herumstö …«
    Nur noch eine Silbe, und Bruder Hilperts Satz wäre beendet gewesen. Dass er das Wort nicht zu Ende sprach, hatte indes einen Grund. »Das gibt’s doch nicht!«, stieß er entgeistert hervor, ungeachtet der Konfusion, in die er seinen Gesprächspartner stürzte. Und kurz darauf noch einmal: »Das gibt’s doch nicht!«
    »Was gibt es nicht, Bruder?«
    »Das da«, versetzte Bruder Hilpert mit Blick auf den Pergamentfetzen, den ihm der Studiosus in die Hand gedrückt hatte. Dann griff er in die Tasche, holte den Zettel mit der Aufschrift ›EST‹ hervor und verglich ihn mit dem Pergamentfetzen, auf dem das lateinische Wort ›MEA‹ zu erkennen war. Es war die gleiche Schrift, gestochen scharf und absolut identisch.
    »Ich … ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, was Ihr meint, Bruder.«
    »Aber ich, junger Freund«, erwiderte Bruder Hilpert, dessen Blick immer wieder zwischen den beiden Pergamentfetzen hin und her wanderte. »Aber ich.«

Nach der Komplet
     
    [Bursariat, 19:55 h]
     
     
    Worin Remigius von Otranto und Bruder Venantius das Mädchen Mechthild und den Novizen Alanus in die Enge zu treiben versuchen.
     
    Remigius von Otranto war ein Mann von Welt. Das galt vor allem für seine Manieren. Er war höflich, bisweilen sogar zuvorkommend, ließ seine Gesprächspartner ausreden und hob die Stimme nur dann, wenn es nötig war. Überhaupt hasste er es, Emotionen zu zeigen, getreu der Devise, dass Selbstbeherrschung zu den Kardinaltugenden eines Inquisitors zählte. Das galt freilich nicht für die Handlanger, mit denen er sich umgab. Insbesondere nicht für Cesare Baltazzi. Für ihn, den getreuen Diener seines Herrn, war dessen Wunsch Befehl, und das Wort ›Skrupel‹ kam in seinem Wortschatz nicht vor. Zwar war er erst fünfundzwanzig, unauffällig und von gedrungener Statur, dafür mit allem vertraut, was dazu diente, seine Opfer gefügig zu machen. Er schreckte vor nichts zurück, auch davor nicht, bei peinlichen Befragungen die Vorschriften zu missachten. Vor allem mochte

Weitere Kostenlose Bücher