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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Lächeln, wie ein weiteres Geständnis.
    Dann wandte er sich ab. Der Raz Blanchard war ruhig, fast ohne Wellen. Stille vor dem nächsten Sturm.

    »Dort liegen noch Leichen, Körper, die das Meer ihr nicht zurückgegeben hat.«
    Das sagte er, und mir fiel der unendlich schmerzliche Blick ein, mit dem Nan Lamberts Gesicht erforscht hatte.
    »Am Tag des Sturms hat sie geglaubt, jemanden wiederzuerkennen.«
    Er hakte sich bei mir unter.
    »Das kommt manchmal vor. Sie glaubt, dass die Toten zurückkehren.«
    Er senkte den Blick. »Aber die Toten kommen nicht zurück.«
    Wir liefen ein paar Schritte den Weg zwischen den Häusern entlang.
    »Sie hat sein Gesicht berührt und ihn Michel genannt.«
    Er schwieg.
    Wir durchquerten das kleine Nest bis zum letzten Haus.
    Er sprach wieder von ihr, von Florelle. Ich hätte ihm gern von dir erzählt, wie er mir von ihr erzählte.
    Hinter dem letzten Haus, beim großen Stein, blieb Théo stehen. Er setzte sich auf ihn, wie immer, wenn er mich begleitete.
    »Sie werden sehen, bei dem Nordwind heute ist das Heidekraut ganz schwarz.«
    Er starrte auf den Weg, den ich gehen würde und den er so oft gegangen war.
    »Sie müssten eigentlich ein paar Walderdbeeren finden. Hinter der zweiten Baracke ist ein richtiges Feld, man muss sich nicht mal bücken.«
    Er kannte den Weg in- und auswendig. Jeden Baum, jeden Stein. Die Zeit, die man brauchte, um von einem Felsen zum anderen zu gelangen, von hier bis zur Bucht der Moulinets und dann noch weiter, zu den Grotten und den alten Verstecken der Schmuggler.

    Ich ließ ihn dort sitzen, ging weiter.
    Ich wusste nicht, wie lange er dort noch verweilen würde. Er sagte, er würde mich in Gedanken begleiten, er könne den ganzen Weg gehen, ohne von seinem Stein aufzustehen.
    Der Pfad war eng, er schlängelte sich zwischen dem Meer und der Heide dahin. Unter den Füßen hatte ich eine Mischung aus glitschiger Erde und nacktem Fels. Ich musste bis zum Nez des Voidries gehen. Dort waren die Kormorane. Man interessierte sich für ihre Fähigkeit, sich gegenseitig zu helfen. Gemeinsam zu jagen. Waren sie imstande, gemeinsam Fischschwärme zu treiben? Wie lebten sie zusammen, wenn sie jagten?
    Es war eine langwierige Angelegenheit. Stundenlange Beobachtung im Wind.
    Rechts wurde das Meer von der Sonne erdrückt, ein so starkes Licht, dass ich die Augen abwenden musste.
    Am Ende hatte dir auch das Licht wehgetan. Wir mussten die Fensterläden schließen. Die Vorhänge zuziehen. Dein Riesenkörper war zu einem kleinen, tief im Bett versunkenen Etwas geworden. Dass ich dich streichelte, meine Hände auf dich legte, selbst das wolltest du nicht mehr.
    Vor mir flitzte ein Kaninchen davon. Es war kurz auf den Hinterbeinen erstarrt und dann im Heidekraut verschwunden. Auf einer Wiese, etwas entfernt, sah ich zwei reglose Pferde. Ich ging noch weiter.
    Ich fand die Walderdbeeren, von denen mir Théo erzählt hatte, die Blätter waren so grün, dass sie fast blau schimmerten. Die roten Früchte zuckersüß. Ich zerquetschte sie unter der Zunge, der Geschmack explodierte. Durchtränkte meinen Gaumen. Eine Handvoll nahm ich für Théo mit. Nach einer Weile gabelte sich der Weg, und ich befand mich über der Bucht von Écalgrain. Théo hatte gesagt, hier würde die Heide an Sommerabenden glühen.

    Unten am Strand saßen Männer. Ungefähr zehn. Ich beobachtete ihre Gesichter durchs Fernglas. Schlecht rasiert. Die meisten jung. Müde Augen. Sie rauchten, die Knie angezogen. Sie hatten kein Gepäck, anscheinend auch keinen Proviant. Keine Rucksäcke, in denen vielleicht Trinkwasser war. Einige von ihnen sahen aufs Meer. Die anderen starrten ins Nichts oder zwischen ihre Füße. Einer von ihnen lag auf der Seite. Sie warteten auf ein Boot, um nach England zu gelangen.
    Wie lange waren sie schon hier? Ein Mädchen saß etwas abseits. Auch sie schaute aufs Meer. Ich beobachtete sie eine ganze Weile. Ich fragte mich, was geschehen würde, wenn das Boot, auf das sie hofften, nicht käme.
    Hinter der Bucht wurde die Küste steiler, das Heidekraut schwarz. Hier weideten die Heideziegen, vielleicht ein Dutzend, die ohne Stricke und ohne Zäune lebten. Tiere mit langem, schwarzem Fell. Wenn es regnete, pressten sie sich an die Felsen oder verkrochen sich in den Grotten.
    Der Nez des Voidries war der Nistplatz der Wanderfalken, auch ein paar große Raben hatte ich dort schon gesehen. Der Zugang zum Felsvorsprung war ziemlich schwierig zu erreichen.
    Ich hatte ein Sandwich

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