Die braune Rose
aber wird sich in drei Jahren die Leidenschaft Berts für exotische Schönheiten abgekühlt haben. Er steht dann in den Examina, und wenn sich alles so entwickelt, wie wir es planen, ist er mit Fräulein Pachtner verlobt.«
»Mit anderen Worten: Harriet-Rose soll verschwinden«, sagte Marianne deutlich.
»Sie simplifizieren wieder alles, Koeberle. Ich will Harriet auf meine Kosten zu einer vollendeten Dame erziehen. In einem Schloß, in einem exklusiven Töchterheim. Wenn ich Ihnen vorrechnen würde, was mich das monatlich kostet –«
»Es interessiert mich nicht, Herr Direktor. Harriet bleibt bei mir.«
»Sie denken zu eng, Koeberle. Ich biete Ihrer Tochter die Ausbildung einer … einer … na, wie soll man sagen … einer Tochter aus bester Familie.«
»Das ist sie«, sagte Marianne hart.
Arnold Schumacher begann wieder zu schwitzen.
»Sie wird in Kreise hineinkommen, die ihr eine weltweite Verbindung schaffen.«
»Das soll sie gar nicht. Ich bin glücklich, wenn sie in dem Kreis, in dem sie jetzt lebt, als Mensch anerkannt wird. Aber das können Sie mir nicht bieten. Oder hängt es damit zusammen, daß Harriet das Produkt einer kleinen Sekretärin mit einem Negerboxer ist und nicht der Fehltritt einer Dame der Gesellschaft?«
Schumacher seufzte tief. Er gab keine Antwort. Er hatte es kommen sehen. Der Plan Erikas war gestorben, bevor er überhaupt Gestalt angenommen hatte. Er hob die Arme und ließ sie an den Körper zurückfallen.
»Was soll ich tun, Koeberle? Ich möchte Sie behalten.«
»Niemand hindert Sie daran.« Marianne sah, wie Harriet-Rose mit dem aufgebrühten Kaffee in der Küche wartete. Aber sie kam nicht. Das bis zu einer Lösung vorangetriebene Gespräch durfte nicht unterbrochen werden, so sehr sich Schumacher diese Gelegenheit herbeiwünschte. Marianne lehnte sich zurück. »Aber ich möchte nicht mehr, Herr Direktor.«
»Berts wegen?«
»Auch deshalb.«
»Aber was wollen Sie denn machen, Koeberle?«
»Ruhe und Frieden suchen und finden. Harriet und ich werden uns eine eigene, kleine Welt aufbauen.«
»Ich möchte ihnen gerne helfen, Koeberle.«
Marianne nickte. Sie kannte Schumacher zu gut, um dies für eine Phrase zu halten. Er meinte es ehrlich. Die Leidenschaft seiner inneren Auflehnung gegen diese ›Schande‹ war einer Art Resignation gewichen. Man konnte nichts mehr rückgängig machen, man mußte es ertragen. An dieser Stelle begriff Arnold Schumacher, was er sich nie eingestanden hatte und nie vor sich selbst wissen wollte: Er empfand eine stille Liebe für Marianne … ein starkes Gefühl der Verbundenheit aus einem Gemisch von väterlicher Freundschaft und unterdrücktem männlichem Interesse.
»Sie helfen mir am besten, indem wir uns heute zum letztenmal sehen«, sagte Marianne leise. Auch ihr fiel es schwer, dies zu sagen. Schumacher nickte mehrmals stumm.
»Es muß wohl so sein.«
Harriet-Rose brachte den Kaffee herein. Sie goß die Tasse voll und schob Zuckerdose und Milchkännchen zurecht. Schumacher bediente sich, aber der Kaffee schmeckte ihm nicht mehr. Er war bitter wie Gallensaft. Der letzte Koeberlekaffee, dachte er. Man sollte sofort zurück in die Fabrik fahren und alles zusammenschlagen. Und dann nach Hause. Und die Möbel zurechtsetzen. Und auf den Tisch schlagen, mit beiden Fäusten, und brüllen, brüllen. Einmal im Leben ein Vulkan sein, der alles ausspeit, was zwei Jahrzehnte lang im Innern angesammelt worden war. Aber es war alles nur ein frommer Wunsch.
Arnold Schumacher schob die Tasse weg und erhob sich. Vor Harriet zögerte er einen Augenblick, dann legte er die Hand auf die schwarzen, harten Haare und streichelte sie.
»Es ist alles so dumm, mein Mädchen«, sagte er mit einem Seufzer. »So unerklärbar.«
*
Sie hatten eine Nähmaschine gekauft. Das erste, was Harriet-Rose darauf nähte, war eine Bluse für ihre Mutter. Marianne konnte sie schon am Nachmittag anziehen, als sie sich wegen einer neuen Stellung vorstellte. Es war das Büro einer großen Anwaltsfirma. Einer der Anwälte suchte eine perfekte Sekretärin. Nach einem vorausgehenden Telefongespräch schien Marianne große Aussicht zu haben, den Posten zu bekommen.
Harriet-Rose begann ihre Selbständigkeit mit dem Zeichnen einer Reihe von Modellen. Sie entwarf auf großen Zeichenblocks Kleider, Kostüme, Mäntel, Kombinationen, Strandkleider und Complets. Dabei entwickelte sie eigene Ideen, die sich in keiner Weise an die propagierte Moderichtung anlehnten. Was ihr gefiel in
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