Die braune Rose
wie liebestolle Truthähne. Ich hatte meinen Spaß an ihnen, weiter nichts. Das weißt du. Oder bist du eifersüchtig?«
»Ich war es … damals.« Bert lehnte sich an die gemauerte Pflanzrinne des Gewächshauses. »Es gab eine Zeit, da war ich krank vor Eifersucht. Es ist, als wenn man innerlich verblutet.«
Heidi Pachtner senkte den Kopf. Durch das Glasdach flutete die Sonne und ließ ihre Haare wie Rotgold aufblitzen. Unruhig glitten ihre Finger über die Schürze und die Hüften.
»Du warst der einzige Mann, der sich in meiner Gegenwart nicht wie ein Idiot benahm. Darum liebte ich dich.« Sie warf den Kopf hoch, ihre graugrünen Augen flimmerten. »Liebst du mich wirklich?«
»Ja«, sagte Bert Schumacher laut.
*
Die Verlobung wurde in dem Jagdhaus Pachtners gefeiert, einem weitgestreckten Holzbau inmitten des Waldes, umgeben von riesigen Fichten und Tannen. Es war eine Feier im engsten Kreise. Die offizielle Verlobungscour sollte drei Tage später in der Villa Pachtners stattfinden, mit allem Pomp, den man von ihm erwartete und den er gerne zeigte als Spiegel seines geschäftlichen Erfolges.
In allen Heidelberger Zeitungen war die Verlobungsanzeige veröffentlicht.
»Die Verlobung ihrer Tochter Heidi mit stud. med. Bert Schumacher –«
Auch Harriet-Rose las diese Anzeige. Sie blätterte die Zeitung durch in einer Pause zwischen zwei Vorführungen. Niemand bemerkte, daß sie es las, sie führte die nächsten Kleider mit dem gleichen Lächeln, dem gleichen schwebenden Gang, der gleichen Sicherheit vor wie vor der Pause. Sie bedankte sich für den Beifall, zog sich um, ein kurzer Blick in den Spiegel, hinaus auf den Laufsteg mit dem neuen Kleid. Lächeln, schweben, sich drehen, ein süßes, braunes Negerpüppchen.
Aber am Abend kam sie nicht nach Hause.
Bis Mitternacht wartete Marianne und stand verzweifelt am Fenster. Dann lief sie zur nächsten Polizeidienststelle.
9.
Die Morgenpost, die Stadtrat Koeberle seit kurzem in sein Amtszimmer geschickt bekam, enthielt auch einen Brief aus Amerika. Der Absender Shirer machte Koeberle nachdenklich. Er las erst die andere Post durch und öffnete den Brief aus Alabama als letzten.
Es war nur ein Blatt, das er herauszog, und es war eine große, ungelenke Schrift, die mit dickem Strich die wenigen Zeilen geschrieben hatte.
Eduard Koeberle versuchte, das Englisch zu entziffern. Nach einigen Ansätzen gab er das Bemühen auf und rief eine Sekretärin, die ihren englischen Dolmetscher gemacht hatte.
»Lesen Sie mir das mal vor«, sagte er und reichte Mamis Brief hin. »Ich nehme an, Sie können es.«
Die Sekretärin überflog das Schreiben und sah darauf den Stadtrat Koeberle verblüfft an. »Das muß ein Scherz sein«, sagte sie.
»Wieso Scherz?«
»Woher kommt der Brief?«
»Aus Alabama.«
»Bestimmt?«
Koeberle liebte es nicht, wenn Untergebene Fragen stellten. Er vertrat den Standpunkt, daß Fragen zu den Privilegien der Vorgesetzten gehören … ein Untergebener hat lediglich zu verstehen. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Lesen Sie … weiter sollen Sie nichts!« sagte er grob.
»Bitte.« Die Sekretärin schluckte ein paarmal, ehe sie mit deutlicher Stimme übersetzte.
»Wenn Sie sein Freund sind, so schützen Sie Harry vor diesem Weib in Ihrem Land –«
Koeberle zuckte hoch. Sein Gesicht übergoß sich mit hellem Rot.
»Was lesen Sie da?!« schrie er.
»Es steht hier so. Ich kann ja nichts dafür.«
»Weiter!«
»… Tun Sie einer alten Mutter diesen letzten Gefallen. Gehen Sie zu ihr hin und sagen Sie ihr, daß ich sie umbringe, wenn sie kommt …«
»Schluß!« sagte Eduard Koeberle heiser. »Geben Sie den Wisch her.«
»Bitte. Doch ein Scherz, nicht wahr?«
»Ach was!«
»Sie kennen … kennen … Sie wissen, wer es ist?«
»Keine Ahnung.« Koeberle sprang auf und steckte den Brief in die Rocktasche. »Im übrigen geht Sie das nichts an. Sie wissen, daß Sie zu völliger Schweigsamkeit verpflichtet sind. Das hier ist eine Geheimsache der Stadt, verstanden?«
»Ja –«, sagte die Sekretärin gedehnt.
»Wenn irgend etwas von diesem Brief nach draußen dringt, sind Sie allein verantwortlich. Sie wissen, was auf Verrat von Amtsgeheimnissen steht.«
Er verließ mit schnellen Schritten sein Büro und ging zunächst ein paar hundert Meter durch die frische Herbstluft, um in aller Ruhe nachzudenken.
Die Situation war eindeutig. Marianne wollte nach Alabama zu diesem Riesenneger – allein dieser Gedanke war
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