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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einsprachen.
    »Mam«, sagte Shirer scharf. »Ich trage dich weg, wenn du nicht aufstehst.«
    »Versuch es, Bob.« Mami stemmte die dicken Beine in die Erde. »Hier sitze ich!«
    Der Schutzmann, umgeben von einer Schar weißer Männer, näherte sich der Bank. Mit einem Gummistock zeigte er auf das Schild und winkte dann.
    »Aufstehen, los!« Er wandte sich um zu Shirer und nickte mit dem Kinn zur Bank. »Ist das Ihre Mutter?«
    »Ja.«
    »Sie soll aufstehen!«
    »Es ist ihr schlecht geworden«, sagte Shirer heiser. »Sie steht gleich auf, Sir … nur ein kleiner Schwächeanfall.«
    »Wie er lügt, der Junge«, schrie Mami. »Ich und schwach?« Sie ließ die dicken Beine tanzen, aber sie blieb sitzen. »Hoho! Ich bin munter wie keiner. Ich will hier sitzen.«
    Shirer begann zu schlucken. Hinter ihm brüllte eine Stimme etwas von Negerpack. Eine grollende Wand schob sich auf die Bank und auf Mami zu. Der Polizist hob den Schlagstock.

10.
    »Holen Sie die Alte von der Bank!« schrie der Polizist und packte mit der anderen Hand Shirer am Arm.
    Mami starrte auf den erhobenen Schlagstock. Ihr schwarzes Gesicht unter den weißen Haaren wurde lang und starr. Noch nie hatte man sie geschlagen, in all den siebzig Jahren nicht, sogar damals nicht, als es noch erlaubt war und zum täglichen Umgangston gehörte, einen Neger zu verprügeln und mit Fußtritten vor sich herzutreiben. Immer hatte sie sich so benommen, daß man sie liebte und ›liebe, gute Mami‹ nannte, selbst die weißen Kinder, die sie großzog, bevor sie diesen Mordskerl von Harry Bob bekam. Und nun stand ein Weißer vor ihr, hob den Schlagstock und schüttelte Harry.
    Shirer riß sich aus dem Griff des Polizisten los. Hinter ihm hetzte jemand, man solle alle Nigger wie Katzen ersäufen. Der Polizist zögerte noch, zuzuschlagen, aber man sah ihm an, daß er es tun würde, wenn Mami nicht sofort von der Bank aufsprang.
    »Lassen Sie meine Mami in Ruhe, Sir«, sagte Shirer tonlos. »Sie sehen doch, daß sie krank ist.«
    »Dann schlag sie völlig tot!« schrie jemand von hinten aus der Menge. »Ungeziefer ist schlimm, aber krankes Ungeziefer ist die Pest.«
    Shirer senkte den Kopf. Sein Kinn stieß gegen seine Brust. Das ist unsere Freiheit, dachte er bitter. Und in diese Freiheit will ich Anne und Harriet-Rose holen? Wie idiotisch war das von mir, so etwas zu denken, und wie recht hatte Mami, mich zu verprügeln wie einen stehlenden Schuljungen. Gute, liebe alte Mami.
    »Fassen Sie Mami nicht an!« sagte Shirer drohend und trat zwischen den Polizisten und seine Mutter. Mami hatte die Fäuste geballt. Mit hocherhobenem Kopf sah sie in die murrende, aus dem Hintergrund heraus gärende Menge, starrte in haßverzerrte Gesichter, in hochmütige Augen, auf wie vor Ekel verzogene Lippen.
    Es war zu spät, jetzt noch nachzugeben, so gern sie es jetzt wollte, schon um Harrys willen. Wenn sie jetzt aufstand, verlor sie ihr Gesicht, und nicht nur sie – es war eine Niederlage der ganzen schwarzen Rasse. Sie saß jetzt hier für die Millionen Farbigen, die nicht auf diesen Bänken sitzen, die nur bestimmte Cafés besuchen und besondere Abteile in den Straßenbahnen und Zügen benutzen durften. Sie saß hier, klein, dick, weißhaarig und im Herzen eine zitternde Angst, für alle Neger der Südstaaten wie ein Paradestück: Seht, wir haben Mut! Wir haben auch die Rechte eines Menschen!
    Der Polizist sah Shirer aus verblüfften Augen an. Man drohte ihm, ein Farbiger wagte es, sich gegen das Gesetz zu erheben. Vor einer Menge Weißer, die lüstern darauf wartete, was das Gesetz nun tun würde.
    »Aufstehen!« brüllte der Polizist noch einmal.
    Mami schüttelte stumm den Kopf.
    Da schlug er zu. Erst auf Shirer, um den Weg frei zu machen, dann um Shirer herum auf Mami, die starr dasaß, keinen Arm zur Abwehr hob, sich nicht duckte oder zur Seite warf.
    Der Schlag des Stockes traf sie seitlich der Stirn. Es klang, als wenn man auf einen hohlen Baumstamm schlägt, dumpf und nachhallend.
    Mami sah mit großen Augen auf den Polizisten. Die Haut platzte ihr an der geschlagenen Stelle, Blut lief in kleinen Rinnsalen über die Wange und am Hals entlang in das Kleid. Sie schwankte etwas, ihr Mund öffnete sich … aber sie sagte nichts. Mit im Schoß gefalteten Händen sank sie zur Seite um und lag verkrümmt auf der Bank.
    »Bravo!« riefen einige aus der Menge. »Noch einen, und herunter mit dem Aas von der Bank!«
    Harry Bob Shirer sah mit starren, fast leblosen Augen auf Mami, wie

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