Die braune Rose
mußte. Aber es blieb still wie zuvor. »Bert!« rief sie und klopfte mit der Faust. »Mach auf! Hörst du? Mach auf! Wenn du nicht aufmachst, hasse ich dich! Ich hasse dich!« Sie wartete wieder ein paar Atemzüge, dann trommelte sie mit den Fäusten gegen die Füllung. »Du Biest!« schrie sie. »Du Satan! Weißt du, was das bedeutet, wenn man eine bittende Frau wegstößt? Du Schuft, du! Ich hasse dich … ich hasse dich!«
*
Harry Bob Shirer hatte in Birmingham einen schweren Gang getan. Er hatte dem Farmer sagen müssen, daß er seine Drugstore nicht verkaufe.
Allerdings tat er dies nicht ohne Zwang, sondern unter der Regie von Mami. Sie war mitgefahren und saß abseits in einer Ecke des Lokals, beobachtete ihren Bob und machte ihm Zeichen mit beiden Händen, wenn er mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihr hinstarrte. Es hatte sich nämlich etwas geändert. Der weiße Farmer hatte Erkundigungen eingezogen und war plötzlich bereit, sogar sechshunderttausend Dollar auf den Tisch zu legen.
»Es ist zwar eine Schande«, sagte er in seiner Grobheit, »daß man einem Nigger Gold in den Hintern bläst … aber ich bin nun einmal daran interessiert. Wenn der Hintern golden ist, sieht man darunter das Schwarze nicht.«
Shirer entschuldigte sich, stand auf und schlich in die Ecke zu Mami.
»Er gibt sogar Sechshunderttausend, Mam«, sagte er und rollte mit den Augen. »Das ist unsere Chance. Ich gebe dir bare Hunderttausend ab.«
»Nicht für eine Million«, sagte Mami, und dabei blieb es. Shirer ging zurück und seufzte wie ein müdes Pferd.
»Man sollte euch Nigger alle aufhängen!« schrie der Farmer. »Warum erst das Theater?« Er hieb mit der Faust auf den Tisch und ging wütend aus dem Lokal. Shirer bezahlte die Rechnung und blieb allein sitzen. Sein Kopf war leer. Es ist wie nach einem gründlichen K.o. dachte er. Man sitzt da, sieht und hört alles, aber die Beine sind weg, die Arme sind schwer, wie mit Blei gefüllt, und im Kopf ist ein riesiger Hohlraum, in dem in allen Ecken kleine Mäuse piepsen.
Er rührte sich auch nicht, als Mami an den Tisch kam und eine Limonade bestellte.
»Brav, Bob«, sagte sie und tätschelte seine leblose riesige Hand. »Auch wir haben unseren Stolz. Willst du einen Kakao?«
»Nein, Mam.«
»Einen Whisky kriegst du nicht.«
»Ich möchte jetzt ein Faß leersaufen.«
»Und nachher in der Ecke liegen, und ich muß dich zudecken und dich waschen. Wozu, Bob? Ein weißes Weib ist für uns wie Rauschgift. Wir saugen es ein, und es höhlt uns aus, auch wenn es uns Träume vorgaukelt und das Paradies hinzaubert. Heirate Nelly.«
»Sie ist fett.«
»Fett schützt vor Erkältung. Dann nimm Bonnie.«
»Sie ist schwarz!« schrie Shirer. »Und sie hat schon ein Kind.«
»Ein braves Mädchen, Bob. Sie hat bewiesen, daß sie gebären kann. Sie wird dir zehn andere Kinder schenken. Darauf kommt es an. Sollen wir aussterben, he? Eine Schande ist's schon, daß ich nur dich habe.«
»Mam«, sagte Shirer milde. »Hör auf.«
»Warum soll ich mich schämen?« Mami schlürfte ihre rote Limonade und putzte sich die wulstigen Lippen mit dem Handrücken ab. »Wir sind reiche Leute, Bob. Wir können jedem Weißen frei in die Augen sehen. Komm, ich werd es dir beweisen.« Sie stand auf, zupfte das Kleid über ihrem massigen Körper zurecht und tippte Shirer auf die Schulter. »Komm, mein Sohn.«
»Was hast du vor, Mam?«
»Ich will dir zeigen, wie stolz wir sein können.«
»Mach keine Dummheiten, Mam.« Shirer erhob sich mit steifen Knien. Wirklich, wie ein K.o. dachte er wieder. Aber bei mir ist es schlimmer. Mein Herz ist einfach zerbrochen. Mitten durch. Und jetzt verblute ich innerlich. O Gott, ich werde Harriet nie wiedersehen. Das halte ich einfach nicht aus.
Er trottete Mami nach, die stolz aus dem Lokal auf die Straße trat. Sie segelte wie ein dickes Schiff mit wehendem Kleid vor ihm her und setzte sich breit auf eine weiße Bank, auf der deutlich zu lesen stand: Nur für Weiße. Mit einem triumphalen Lächeln stemmte sie die Hände in die ausladenden Hüften und winkte Shirer, der entsetzt stehengeblieben war. »Setz dich neben mich, Bob!« rief sie.
»Mam, um Himmels willen, steh auf. Es wird Ärger geben«, rief Shirer. Mami schüttelte den Kopf. Sie sah die Passanten an, die staunend stehenblieben, sie anstarrten und dann schnell weitergingen bis zur Ecke, wo ein Schutzmann stand. Shirer sah, wie sie gestikulierten, hinüberzeigten und auf den Schutzmann
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