Die Braut aus den Highlands
Dadurch hatte sie jetzt gar keinen Verbündeten mehr.
Als sie sich dies gerade eingestand, erschien Alex an ihrer Seite. Er hatte sich vorsichtig, aber zielstrebig einen Weg durch die Frauen gebahnt und legte ihr nun einen Arm um die Schultern. Kurz meinte sie, eine Spur Sorge in seinen Augen zu sehen, so als befürchte er, sie könne auf Nimmerwiedersehen in dieser Masse von Leibern untertauchen, doch schließlich lächelte er. „Vielleicht sollten wir hineingehen“, schlug er vor. „Eine der Wachen sagte mir, Euer Vater und Eure Brüder seien in der Halle.“
Merry nickte zustimmend, und Alex führte sie auf die Stufen zu und hinauf, während sie sich bei den Leuten dafür entschuldigte, dass sie schon entschwand. Endlich waren sie im Wohnturm. Das Portal schloss sich hinter ihnen und sperrte Stimmengewirr und Lärm aus, ebenso wie die Sonne. Sie verharrten kurz, bis ihre Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, und unwillkürlich fühlte Merry sich an ihre Ankunft auf d’Aumesbery erinnert, denn obwohl sie nichts sah, war sie nicht taub. Sie hörte die Männer in der Halle, bevor sie sie erblickte. Ihr Ohr vernahm Grölen und Gelalle, und ihr sank das Herz. All die Freude, die sie gerade noch erfüllt hatte, war wie ausgelöscht, und innerlich stählte sie sich, während Alex ihren Arm nahm und sie langsam, beinahe widerwillig in Richtung Halle führte.
Als ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten und sie die drei Männer erspähten, die inmitten umgestürzter leerer Krüge an der aufgebockten Tafel saßen, wünschte Merry sich fast, sie hätte Alex für sein Angebot gedankt und es freundlich abgelehnt. In dem flüchtigen Moment der Schwermut auf dem Hügel hatte sie sich nur an die hier lebenden, werkelnden Menschen erinnert und an all die schönen Augenblicke in ihrem Zuhause aus Kindheitstagen. Die drei Taugenichtse, die ihr seit dem Tod ihrer Mutter das Leben versauert hatten, hatte sie dabei ausgeblendet.
Sie und Alex hatten die Halle zur Hälfte durchquert, als Merrys Füße sich mit einem Mal weigerten weiterzugehen. Sofort blieb auch Alex stehen und sah sie fragend an. Sie seufzte. „Vielleicht sollten wir besser unsere Reise fortsetzen.“
„Hab ich’s mir doch gedacht“, knurrte Gerhard in ihrem Rücken und machte sie so darauf aufmerksam, dass sie nicht alleine eingetreten waren.
Merry versteifte sich und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg vor Scham über ihre Sippschaft. Dabei entging ihr der finstere Blick nicht, den Alex dem Mann zuwarf. Als er sich wieder ihr zuwandte, war seine Miene jedoch unbewegt. „Wie Ihr wünscht, Merry“, sagte er. „Wir tun, was immer Ihr wollt.“
„ Aye “, erwiderte sie ernst. „Ich würde gern …“
„Merry! Ist das zu fassen? Gerade noch haben wir über dich gesprochen, und da stehst du plötzlich, wie herbeigezaubert!“
Der Ruf kam aus dem Mund ihres Vaters. Merry seufzte. Es war zu spät, sie würden dieses Debakel durchstehen müssen. Also atmete sie tief durch, wandte sich der Tafel zu und zwang sich vorwärts, den drei Stewart-Männern entgegen, die wankend auf die Beine kamen, um sie zu begrüßen.
„Ja, da hol mich doch der Teufel … Merry!“, rief Brodie. Er erreichte sie als Erster und ließ sie in seinen kräftigen Armen verschwinden. „Gut siehst du aus, Kleine“, raunte er. „Wir haben uns wegen deines Mannes gesorgt und uns gefragt, wie er dich wohl behandeln mag. Macht er dir Schwierigkeiten? Wir können den Bastard immer noch für dich beseitigen und ihn und seine Männer im Kräutergarten des Kochs verscharren. Niemand würde es erfahren.“
Merry rang sich ein Lächeln ab und tat, als seien die Worte scherzhaft gemeint, obwohl sie argwöhnte, dass dies nicht der Fall war. Sie befreite sich aus seinen Pranken. „Das wird nicht nötig sein“, versicherte sie. „Mein Gemahl behandelt mich sehr zuvorkommend.“
„Nun gut“, beschloss ihr Vater die Angelegenheit, während er Brodie beiseiteschob, um sie ebenfalls zu umarmen. „Dann lassen wir den Burschen also leben, ja?“
„ Aye “, bekräftigte Merry und fragte sich, was sie geritten haben mochte, sich nach Stewart zurückzusehnen. Sicherlich würde der Aufenthalt die Engländer in ihrem Verdacht gegen sie nur bestärken. Gerhard jedenfalls trug bereits eine Miene zur Schau, die besagte, dass er nichts anderes erwartet hatte. Was Alex anging, so war sein Gesicht noch immer ausdruckslos und gab nicht preis, was er dachte.
Ihr Vater wurde
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