Die Braut aus den Highlands
stören, doch als ihr Gemahl die Schultern hängen ließ und den Kopf senkte, wusste sie, dass Godfrey seinen letzten Atemzug getan hatte.
Sie schritt zu Alex hinüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Zuerst rührte er sich nicht, umschloss dann aber ihre Finger mit den seinen, und so verharrten sie eine Weile. In dieser Haltung fand Gerhard sie, als er wenige Augenblicke später auf die Plattform des Turms gehastet kam. Als das Scheppern von Metall seine Ankunft ankündigte, wandte Merry sich um und hob überrascht eine Braue. Jäh kam Gerhard zum Stehen, und sein Blick wanderte von Eddas ausgestreckter Gestalt zu Godfreys.
„Una sagte mir, wer Godfrey ist, und ich wollte mich vergewissern, dass hier oben alles in Ordnung ist“, beantwortete er die unausgesprochene Frage. „Ich nehme an, Edda und Godfrey haben hinter allem gesteckt?“
Merry nickte stumm. Alex richtete sich auf. „Der Junge starb, als er versuchte, uns vor seiner Tante zu retten“, sagte er. Sie sah ihn erstaunt an.
Gerhard wirkte ebenfalls verblüfft. Er schaute von Alex zu ihr. Sie wusste, dass ihre Miene drohte, die Lüge preiszugeben, doch es fiel ihr schwer, ihre Überraschung einfach zu schlucken.
Auch Alex musste dies erkannt haben, denn er steckte sein Schwert wieder in die Scheide, hob sie auf seine Arme, sah sie kurz, aber eindringlich an und meinte an Gerhard gewandt: „Edda hat ihn erpresst, damit er ihr half, aber im letzten Moment hat er sich noch auf die Seite der Gerechtigkeit geschlagen und ist für seinen Herrn gestorben. Und genau dies werden wir auch seinen Eltern sagen.“
Gerhard nickte knapp und zeigte damit, dass er den Befehl – und die Gründe dafür – verstanden habe. „So soll es geschehen.“
Auch Alex nickte und trug Merry an ihm vorbei zur Tür. „Lass die Toten herrichten und nach Duquet schicken“, sagte er zu Gerhard. „Die Eltern werden gewiss ihren Sohn bestatten wollen und sollen selbst entscheiden, wie sie mit Edda verfahren wollen. Auf d’Aumesbery jedenfalls wird sie keinen Schatten mehr werfen, nicht einmal mit ihrem Grabstein.“
Merry sah noch aus den Augenwinkeln, dass Gerhard auch hierzu nickend sein Einverständnis gab, ehe Alex das Innere des Turms betrat und mit ihr die Treppe hinabging. Sie legte ihm die Arme um den Hals und betrachtete sein stilles, ernstes Gesicht, während er achtsam Stufe um Stufe nahm. Erst als er den Flur zu ihrem Gemach entlangschritt, brach sie das Schweigen. „Das war nobel von Euch.“
„Angst ist etwas Scheußliches, und mehr als alles andere fürchtete der Junge, die Liebe und den Halt seiner Eltern zu verlieren.“
„Dennoch …“, setzte Merry an, aber Alex sprach weiter.
„Es war seine letzte Bitte, ehe er starb. ‚Bitte, Herr, sagt meinen Eltern nicht, was ich getan habe‘, so lauteten seine Worte“, erzählte er. „Er war nur ein Kind, Merry, das von seiner niederträchtigen, gewissenlosen Tante vom rechten Wege abgebracht wurde. Er hat seine Wahl getroffen. Es war die falsche, doch das lege ich weniger ihm als vielmehr Edda zur Last. Und ich will nicht, dass seine Eltern neben der Trauer auch noch mit der Scham ringen müssen.“
Sie nickte stumm und schmiegte den Kopf an seine Brust. Was hatte sie doch für einen fabelhaften Mann zum Gemahl.
EPILOG
„Was mag es sein, das meine Gemahlin so missmutig und verdrießlich stimmt?“
Merry riss sich von ihren Gedanken los und schaute zu Alex auf, der sich just neben ihr auf der Bettkante niederließ. Acht Monate waren seit jener Nacht auf dem Turm vergangen, und sie hatte das Geschehen zumeist verdrängen können, doch aus irgendeinem Grund kamen ihr Edda und deren Machenschaften heute immer wieder in den Sinn. Das jedoch verschwieg sie Alex wohlweislich. „Oh, ich weiß auch nicht, liebster Gemahl“, bemerkte sie stattdessen trocken. „Meine Beine sind geschwollen, ich bin unförmig wie ein Wagen, und Euer Kind findet offenbar Gefallen daran, meinen Magen mit den Füßen zu traktieren. In der Tat, was mag es nur sein, das mich missmutig und verdrießlich stimmt?“
Alex lachte in sich hinein und beugte sich vor, um ihr erst einen Kuss auf den runden Bauch unter der Decke und dann auf die Lippen zu drücken. „Soll ich ihm eine Standpauke halten, weil er Euch derart malträtiert, Mylady?“
„Wenn Ihr wollt, könnt Ihr ihr gerne Vorhaltungen machen, Mylord, wobei ich jedoch bezweifle, dass sie besser hört als Ihr“, erwiderte Merry spöttisch. „Und wieso wohl habt
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