Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
werden konnte; der einen anständigen Wein und ein anständiges Essen im Kessel hatte und damit zufrieden war, dass nur Wachmannschaften in seine Trinkstube kamen. Bandini versuchte sich vorzustellen, wie es hier zuging, wenn die Schenke voll war, und wie die Anführer der jeweiligen Parteien, an einem der langen Tische beisammensitzend, Informationen austauschten: Welcher Kaufmann rüstete wohin einen Warentreck aus, wer war gerade von welcher Reise zurückgekommen und brachte Neuigkeiten über die Sicherheit der Straßen, wo war eine Stelle für einen guten Mann frei geworden, wann würde der-und-der von seinen Verletzungen genesen, wie konnte man der Witwe und den Waisen eines anderen helfen, der von seinen Verletzungen nicht genesen war. Ihre Mannschaften, um die restlichen Tische gruppiert, lachten, prahlten, bewarfen sich freundschaftlich mit Geflügelknochen und begrabschten wahrscheinlich die Schankdirnen. Dass es Bandini nicht vollständig gelang, sich die übliche Szene in der Schenke vorzustellen, lag daran, dass das Lokal – von ihnen beiden abgesehen – völlig leer war.
»Es ist schon nach der Sext«, knurrte Bandini. »Ich dachte, du hättest die Nachricht verbreitet, dass ich hier bin und einen Trupp zusammenstellen will.«
»Das habe ich, patron «, sagte Niccolò, dem es nur unzureichend gelang, zuversichtlich zu wirken. »Überall, verlassen Sie sich drauf.«
»Vielleicht hast du ja ein wenig übertrieben mit deinen Verbindungen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, Farbe zu bekennen – solange ich noch in der Laune bin, dich dafür am Leben zu lassen.«
Niccolò schien beschlossen zu haben, es scherzhafter zu nehmen, als es gemeint war. »Meine Verbindungen sind vorzüglich, patron «, lachte er.
Bandini glaubte kein Wort. Andererseits war er auf den Narren angewiesen. Wenn er sich auch noch in Florenz zurechtfand, so hätte er doch nicht gewusst, wo er die Männer suchen sollte, auf die es ihm ankam. Er betrachtete ärgerlich den Weinkrug, der vor ihnen stand, samt den beiden Bechern, die dazu dienen sollten, dass er und der jeweils aufgenommene Bewerber einander zuprosteten. Der Wirt – mit den Ritualen vertraut – hatte einen dritten Becher mitgebracht, den Bandini sofort zurückgewiesen hatte. Niccolò sollte nur nicht auf die Idee kommen, auch mittrinken zu wollen; es gab nur einen Mann, mit dem man über seine Aufnahme in die Posse verhandelte und im Erfolgsfall darauf trinken durfte, und der hieß Antonio Bandini und war der capitano. Beatrice Bianchi hatte sich nicht lumpen lassen, was die Qualität des Weins anging, auch wenn sie es erst erfahren würde, wenn der Wirt ihr die Rechnung vorlegte – dennoch schmeckte das Getränk Bandini zunehmend fad. Sie waren nach dem Terzläuten vom Hause Bianchi aufgebrochen, hatten keine fünf Minuten gebraucht, um hierherzugelangen, und nun saßen sie seit gut drei Stunden untätig hier. Was war los mit den verfluchten Florentinern? Bandini bemühte sich, die Abneigung nicht erneut in sich hochsteigen zu lassen; die Männer, mit denen er zu reden beabsichtigte, besaßen zu gut trainierte Instinkte, um ihnen etwas vorzuspielen.
Er griff nach dem Becher und führte ihn an die Lippen, doch dann zögerte er. Der Wein war unverdünnt – man setzte einem Mann, mit dem man auf den Erfolg einer gemeinsamen Mission trinken wollte, keinen verwässerten Wein vor. Aber Bandinis Kopf pochte noch immer bei jeder schnellen Bewegung, und er hatte das Gefühl, dass der Alkohol ihm in seiner Verfassung schneller ins Blut ging als sonst. Er stellte den Becher wieder ab.
»Sag dem Wirt, wir brauchen Wasser«, brummte er. Er deutete auf seinen Becher. »Hier rein, nicht in den Krug.«
Niccolò nickte und stand auf. Er erstarrte, als ein Schatten über die ohnehin im Dunkeln liegenden Treppenstufen fiel und Schritte ertönten. Von ihrem Platz aus konnten sie zuerst die Füße des Neuankömmlings sehen, die die Treppenstufen herunterkamen, weder schnell noch langsam, und die von einem Stock begleitet wurden, der immer dann als Stütze diente, wenn das rechte Bein das Gewicht des Körpers tragen musste. Der Stock war das untere Ende einer Pike, komplett mit dem Eisenschuh, der es einfasste. Als der Mann auf dem Boden der Schenke stand, warf er einen Blick in ihre Richtung, ohne sich zuerst umzusehen – er war mit der Schenke vertraut, und wenn er in Antonio Bandinis Situation gewesen wäre, hätte er sich genau dorthin gesetzt, wo Bandini jetzt saß; das war
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