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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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geworden, dass es zwischen Allein-davonziehen und Mit-den-Dörflern-hier-Untergehen noch einen dritten Weg gibt.«
    »Werden wir ihn gehen?«
    »Was denkst du? Wenn ich deiner Philosophie folge, habe ich ja die Wahl, mich zu entscheiden.«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Corto hockte sich wieder nieder, mit den Stiefelspitzen dicht am Wasser. Ohne hinzusehen rupfte er ein neues Grasbüschel aus, warf es ins Wasser und schaute ihm nach. »Ich auch nicht«, sagte er.
    Lorenzo trat zurück. Er zögerte. »Ist das das Ziel, von dem du zu Schwester Magdalena gesprochen hast?«, fragte er Cortos Rücken. »Der große Strom?«
    Corto wandte sich nicht um. »Jeder hat sein eigenes Ziel.«
    »Gibt’s die Fähre deines Vaters noch?«
    »Schon lange nicht mehr«, sagte Corto. »Vor ein paar Jahren haben sie dort eine Brücke gebaut – es mussten wohl zu viele rüber.«
    »Irgendwo braucht man immer einen Fährmann.«
    »Besonders am Po.«
    Lorenzo nickte. Corto sagte nichts mehr. Er kauerte am Ufer, ein gedrungener Schatten wie ein Wasserspeier am Turmkranz einer Kirche und genauso rätselhaft. Lorenzo spannte seine Muskeln … fühlte den Dolch in seinem Gürtel. Dann zog er die Hand zurück. Er nickte … schüttelte den Kopf. Schließlich zuckte er mit den Schultern und schritt zu den Häusern zurück.
    »Er wird die richtige Entscheidung treffen«, sagte Schwester Magdalenas Stimme aus der Dunkelheit. Lorenzo blieb stehen. Er konnte ihre Gestalt mehr ahnen als erkennen. Hatte sie das ganze Gespräch belauscht, oder war sie ihm nachgekommen, weil es zu lange gedauert hatte? »Er ist ein guter Mann. Willst du immer noch nicht wirklich hierhergehören?«
    Ein guter Mann, der eine Handvoll Leute entführt, Bandinis Mannschaft niedergemacht, einen fliehenden Gesangslehrer kaltblütig erschossen und sogar dich und deine Mitschwestern gefangen genommen hat, dachte Lorenzo. Ganz abgesehen von den Verbrechen, die er begangen haben mag, als er noch zur Schwarzen Schar gehörte.
    Laut sagte er: »Ich weiß nicht, wo ich hingehöre. Und ich weiß nicht, wohin mein Weg mich noch führen wird. Aber wo immer es ist, ich würde mich wahrscheinlich wohler fühlen, wenn Sie dann irgendwo in der Nähe wären.«
    Sie antwortete nicht. Aber es dauerte einige Sekunden, bis sie sich schließlich abwandte und ihn stehen ließ. Inmitten all der Probleme erfüllte diese Beobachtung Lorenzo mit Hoffnung.

Kapitel 26.
    D ie Schenke lag direkt unter einem tiefen Bogen, der die namenlose Gasse überspannte, die den Borgo Santissimi Apostoli mit der Via delle Terme verband. Es war schwer zu sagen, was zuerst da gewesen war: die Gasse oder das Wohnhaus, zu dem der Bogen gehörte und der quasi die Unterseite des ersten Geschosses darstellte. Jedenfalls war der Bogen so niedrig, dass man nur unter seinem Zenit aufrecht stehen konnte, und im Inneren der Schenke war es so dunkel, dass es nachts nicht mehr viel dunkler werden konnte.
    Antonio Bandini saß mit Niccolò in einer Ecke des Schankraums, wo er sowohl die wenigen Treppenstufen im Auge behalten konnte, die vom Gassenniveau in die Wirtsstube herunterführten, als auch den gesamten Raum. Bänke standen ordentlich an langen Tischen, dreibeinige Hocker ergänzten das Sitzmobiliar. Zwischen den Säulen, die das Gewölbe trugen, spannten sich Ketten, von denen Tranlampen, und Schnüre, von denen Bündel getrockneter Kräuter baumelten. Die Tischkanten waren nicht schartiger als üblich, und der Boden erschien sogar sauber. Die Schenke versteckte sich an diesem dunklen Platz im antiken Herzen der Stadt, obwohl es keinen Grund dafür gab: Sie war eine anständige Lokalität. Niccolò hatte erklärt, dass sich hier die capitani der Geleitzüge mit den patroni der Wachmannschaften trafen, die für die reichen Kaufleute und den reich gebliebenen Stadtadel arbeiteten. In jeder größeren Stadt gab es eine solche Schenke, deren Publikum ausschließlich aus Wachmannschaften bestand; die einen Wirt hatte, der einem verbissen vor sich hin trinkenden Mann wortlos den Weinnachschub auf den Tisch stellte, während er gleichzeitig seine Kameraden auf ihn aufmerksam machte und ihnen das Versprechen abnahm, ihn später, wenn er besinnungslos war, nach Hause zu bringen; einen Wirt, der mit gleichmütigem Gesicht anschrieb und im Geiste die Hälfte des Kredits von vornherein als verloren abschrieb; der zwei Bänke zusammenschob und zu einem Nachtlager richtete, wenn der besinnungslos gewordene Trinker nicht mehr transportiert

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