Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
meisten seiner Männer, den Trosswagen, die Nutztiere der Dörfler und alle Pferde bei sich. Sein Trupp bestand aus allen Verletzten, den Geiseln und Schwester Immaculata, die sich dieser Einteilung voll stummer Panik ergeben hatte. Seine Aufgabe war am gefährlichsten, seine Truppe am verwundbarsten. Wenn Magdalena über einen von Cortos Beschlüssen erstaunt war, dann, dass er die Geiseln nicht auch aufgeteilt hatte, anstatt sie der größten Gefahr auszusetzen. Vielleicht fürchtete er, außer ihm würde niemand mit Clarice Tintori fertig werden, eine Befürchtung, für die es Gründe gab.
Die Angreifer selbst hatten vier Tote auf dem Schlachtfeld zurückgelassen. Lorenzo und Corto hatten einen Blick gewechselt, als sie die schwarzen Armbinden erkannten. Keiner von ihnen hatte sich anmerken lassen, dass der Umstand, dass die Schwarze Schar offensichtlich über eine Kavallerie verfügte, in Cortos Plänen nicht vorgesehen gewesen war. Es hatte einen Vorschlag gegeben, die Getöteten an Bäume zu binden und ihnen Nasen und Ohren abzuschneiden, um der nachfolgenden Truppe zu zeigen, wie sehr man sie verachtete, doch Corto hatte ihn abgelehnt. Am Ende hatten sie Freund und Feind nebeneinander liegen lassen, so wie der Tod sie alle gleichmachte.
Lorenzo verlangsamte seinen Laufschritt und scherte aus. Magdalena blieb stehen. Ihr Atem pfiff. Sie fühlte, wie ihr der Schweiß unter dem schweren Habit über den Körper rann. Lorenzo versuchte das Kind, das sich an ihn klammerte, auf den anderen Arm zu wechseln.
»Zeit für die neue Bestandsaufnahme«, keuchte er und rief den Vorbeihastenden zu: »Weiter, weiter, tut nicht so, als ob ihr müde wärt. Sobald es hell wird, fangen wir richtig zu laufen an.« Er lächelte aufmunternd; nur Magdalena sah, dass es ihm schwerfiel. Geistesabwesend schüttelte er den frei gewordenen Arm. Magdalena sah ihn an.
»Die werden schwer wie ein Pferd, wenn man sie eine Weile trägt«, sagte er und deutete auf das Kind in seinem Arm.
»Jede Mutter könnte dir das bestätigen«, erwiderte Magdalena und lächelte.
Eine der Frauen aus dem Dorf stolperte vorbei, stieren Blicks und mit hochrotem Gesicht. Sie stöhnte beim Atemholen. Sie schlug mit fahrigen Händen ein Kreuz; als Magdalena sagte: »Der Herr Jesus Christus wird deine Schritte lenken«, nickte sie und taumelte mit einem kleinen Zipfelchen neu erwachter Zuversicht weiter.
»Danke, dass Sie mit mir kommen wollten.«
Magdalena wich seinem Blick aus. Sie deutete mit vager Geste in die Richtung, in die sich die Gruppe bewegte. »Findest du den Treffpunkt, den Corto bestimmt hat?«
»Enrico sagt, er kennt ihn. Ich würde wahrscheinlich nach Revere finden, aber ›die Stelle eine Meile flussaufwärts bei dem Kiefernwäldchen, wo der Fluss flach genug zum Überqueren ist‹?« Er zuckte mit den Schultern.
»Corto ist überall am Fluss zu Hause«, sagte Magdalena.
Lorenzo nickte.
»Wann werden wir dort sein?«
»Heute nach der Vesper, wenn wir das Tempo halten können? Fragen Sie Enrico. Ich habe nicht mal das Gefühl, dass wir uns überhaupt vorwärtsbewegen. Hier sieht alles gleich aus.«
Sie nickte. Sie wusste, dass er wusste, dass sie nicht loslaufen und Enrico fragen würde. Nicht, wenn sie hier neben ihm stehen und verschnaufen und so tun konnte, als bestünde mehr als nur eine kleine Chance, dass sich noch alles zum Guten wenden könnte, und als würden sie nicht längst gejagt wie … wie ein Rudel Wölfe! Sie tastete vorsichtig nach den Schwingungen, die von ihm ausstrahlten, und glaubte herauszufühlen, dass er zufrieden war, neben ihr zu stehen.
»Das flache Land ist nichts für dich, Lorenzo? Wo kommst du her?«
»Aus den Bergen.« Er deutete in Richtung Südwesten. »Aus der Garfagnana. Kennen Sie die Gegend?«
Sie zuckte mit den Schultern und lächelte.
»Mein Elternhaus stand zwischen Barga und Castelnuovo. Man muss diese Orte nicht kennen, fürchte ich.« Er zwinkerte ihr zu. »Aber die Garfagnana selbst … weißer Fels, grüne Büsche, enge Schluchten mit kleinen Wasserläufen. Im Sommer ist der Himmel darüber dunkelblau wie ein klarer Tümpel, im Winter tiefgrau wie das Meer bei Sturm. Wenn man auf einem der Gipfel steht, kann man das Meer sehen, und der Wald rauscht um einen herum, dass man glaubt, das Meer auch zu hören. Da sollte man zumindest einmal im Leben gewesen sein, wenn man darüber urteilen will, welche schönen Fleckchen es auf der Welt gibt. Und Sie, Schwester Magdalena?«
Es gab ihr
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