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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Schar hier ein, und der treibt einfach so viele Männer ins Schilf, bis das Wasser eben mit Körpern aufgefüllt ist und er trockenen Fußes zu uns hereinspaziert, um uns zu massakrieren.«
    »Was nun?«
    »Unsere einzige Chance ist der Fluss. Wenn wir übersetzen, sind wir gerettet. Die Furt lässt sich von der jenseitigen Dammkrone aus mit drei Mann gegen ein halbes Heer verteidigen.«
    »Während wir aber die Furt durchqueren, sind wir eine leichte Beute für die, die sich auf dieser Seite des Damms postieren.«
    »So ist es.« Corto machte eine Bewegung, die Lorenzo mehr hörte als sah. Er erkannte, dass Corto sich halb aufgerichtet hatte, um Magdalena anzusehen. Nach ein paar Augenblicken ließ er sich wieder nieder.
    »Warum wachst du hier bei ihr?«, fragte er Lorenzo.
    Lorenzo antwortete nicht.
    »Mhm«, machte Corto. »Enrico hat mir erzählt, du hättest ein Mädchen aus dem Dorf gerettet.«
    »Ich habe Enrico schon erklärt, dass ich Magdalena nicht auf diese Weise retten kann.«
    »Sie ist etwas Besonderes«, sagte Corto.
    Lorenzos Hals schmerzte, als er sagte: »Ich weiß.«
    »Manchmal überleben die Menschen, weil sie etwas haben, für das das Überleben sich lohnt.«
    »Ein Ziel? Die Aussicht, die alte Fähre zu kaufen und wieder flottzumachen und am Fluss zu leben?«
    »Enrico ist eine alte Plaudertasche«, brummte Corto. Nach einer Weile sagte er: »Ich meine eher: einen anderen Menschen.«
    »Es ist wenig Verlass auf die Menschen.«
    »Umso wichtiger, wenn man einen findet, auf den man sich doch verlassen kann.«
    »Wie geht es weiter, Corto?«
    »Es gibt drei Möglichkeiten, aus dieser Scheiße zu entkommen. Erstens: Die Kerle da draußen geben auf, die Schwarze Schar findet unsere Spur nicht, und wir spazieren einfach alle miteinander raus und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage.«
    »Gut«, sagte Lorenzo. »Ich bin dafür.«
    »Zweitens: Wir setzen über die Furt, sobald es hell wird, wissend, dass wir dabei drei Viertel unserer Männer und fast alle Bauern verlieren werden. Dann leben die paar wenigen, die nach drüben durchkommen, glücklich bis ans Ende ihrer Tage.«
    Lorenzo schwieg.
    »Drittens: Wir lassen die Bauern zurück und überqueren die Furt bei Dunkelheit. Das wird auch nicht ohne Verluste abgehen, aber sie werden sich in Grenzen halten. Bis die da draußen was merken, sind wir über dem Damm. Die Bauern sind dann natürlich erledigt.«
    »Soll ich was dazu sagen?«
    »Ich bitte höflichst darum«, sagte Corto mit einem Lächeln in der Stimme.
    »Erstens: Du hast die Heiligen vergessen, die vom Himmel herabsteigen und uns an der Hand in sichere Länder führen, in denen Milch und Honig fließt. Zweitens: Du wärst ein schlechter Anführer, wenn du dich dafür entscheidest. Drittens: Du hättest genauso gut bei der Schwarzen Schar bleiben können, falls du so handeln willst.«
    Corto schwieg so lange, dass Lorenzo sich zu fragen begann, was der Mann dachte. Magdalena hätte es geahnt, sagte er sich. So wie sie geahnt hatte, was sich zwischen den beiden Männern abspielte, während sie am Rand des Dorfs zusammensaßen und Katz und Maus spielten. Wenn sie nicht eingeschritten wäre …
    »Ich werde aus dir nicht schlau, Lorenzo«, sagte Corto. »Anfangs hielt ich dich für einen leichtsinnigen Narren. Dann war ich überzeugt, dass du was im Schilde führst. Jetzt habe ich das Gefühl, du hast schon immer zu uns gehört. Welches Ziel verfolgst du wirklich?«
    »Manchmal denkt man, es führt eine Brücke über den Fluss, wo früher eine Fähre war. Doch die Brücke gibt es nur in Gedanken, weil sie uns hilft, uns einzureden, dass wir nicht mehr dorthin zurückkönnen, wo wir hingehören. Manchmal haben wir nämlich Angst davor, unser Ziel zu erreichen.«
    »So wie du über Flüsse und Brücken redest, möchte man gar nicht glauben, dass du eigentlich ein Hinterwäldler aus den Bergen bist, der vorgestern noch Steine gefressen und die Schafe auf seiner Weide gevögelt hat.«
    »Ich nehme das als Kompliment«, sagte Lorenzo.
    »Was du als Argumente gegen meine drei Lösungen gebracht hast, habe ich mir selbst auch schon vorgehalten. Ich schätze, das gibt ihnen Gewicht.«
    »Corto, ob du willst oder nicht: Du hast die Verantwortung für die Dörfler übernommen. Sie sind die Schwächeren, aber du musst sie trotzdem beschützen. Ich weiß, du glaubst, dass die Starken so lange recht haben, bis einer kommt, der noch stärker ist. Es gibt aber auch das Szenario, dass die Stärkeren

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