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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wurde bewusst, dass der Saum ihres Habits zerschlissen und fransig war und dass er sich über ihre Knöchel nach oben verschoben hatte. Sie versuchte ihn nach unten zu zerren und zog schließlich die Füße an. Ein Seitenblick sagte ihr, dass er sie nicht angesehen hatte. In diesem Moment wandte er ihr das Gesicht zu. Die Dunkelheit machte seine Züge zu einer Ansammlung von grimmig wirkenden Schatten in Augenhöhlen, Wangen und Mundwinkeln. Er sagte nichts.
    »Fühlst du dich wieder besser?«, fragte sie.
    »Habe mich selten wohler gefühlt.«
    Sie nickte. Es brauchte ihren besonderen Sinn nicht, um festzustellen, dass er log. Er hatte sich keine Mühe gegeben, seine Lüge zu verstecken.
    »Wenn du verletzt bist, kann ich mich darum kümmern.«
    »Ich habe keinen Kratzer. Ich habe mich durch das Getümmel bewegt wie ein Fisch durch Wasser.« Er lachte hart. »Bis zu dem Moment, an dem ich erschossen worden wäre, wenn Corto mich nicht gerettet hätte.«
    »Ihr alle verehrt euren Anführer sehr.«
    »Ich frage mich, wie das Ding losgehen konnte. Es hatte keine Lunte, ich sah nichts brennen – gar nichts. Hauptsächlich aber frage ich mich, wie Corto wissen konnte, dass der Prügel trotzdem schussbereit war.«
    »Der Mann, den du angegriffen hast – er ist gefesselt. Fabio bewacht ihn.«
    »Und nicht irgendeiner«, sagte Lorenzo. »Fabio – Cortos bester Mann!«
    »Was hat es mit dem Mann auf sich?«
    Magdalena fühlte, wie Lorenzos Blicke versuchten, die Dunkelheit zu durchdringen. Sie wappnete sich so gut es ging gegen die Schwingungen, die von ihm kamen, um einen klaren Kopf zu behalten.
    »Sagen Sie es mir, Schwester.«
    »Was sollte ich davon wissen? Wir sind erst seit heute Morgen Cortos … Gäste!«
    »Ich bin noch nicht viel länger dabei, Schwester.«
    »Man hat mir gesagt, dass du neu seist. Warum bist du kein Gefangener wie wir?«
    »Ich habe mich Cortos Leuten freiwillig angeschlossen.«
    Sie spürte, dass er log, obwohl er die Wahrheit erzählte. Es gelang ihr nicht, festzustellen, worin die Lüge lag.
    »Weshalb?«
    »Vielleicht hat er gedroht, mein Pferd zu verprügeln, wenn ich ihm nicht aus freien Stücken folge?«
    »Unsinn«, sagte sie, ohne nachzudenken.
    Er wandte sich wieder ab und schwieg. Sie sah, dass er erneut in das Nichts über ihren Köpfen blickte. Zwischen den Hütten hervor erklang das ununterscheidbare Gemurmel von Stimmen, das Knacken des Feuers und kaum hörbar das rhythmische Schippen vom anderen Ende des Dorfes. Der Feuerschein drang nicht bis zu ihnen herüber, aber über den Hüttendächern hingen zwei trübgelbe Lichtdome, wo die beiden Lagerfeuer brannten. Tief drin im Schilf ließ ein Tier ein regelmäßiges Glucken vernehmen. Es klang wie ein Echo auf die Schaufeln, die die Gräber für die Getöteten aushoben. Etwas, das sie von ihm auffing, gab ihr die nächste Frage ein.
    »Warum haben die Plünderer das getan?«
    »Irgendwo gibt es immer ein Heer, das fouragiert.«
    Es war nicht die Antwort auf ihre Frage. Sie wartete.
    »Das gesamte Heer zu bewegen ist zu aufwendig. Wenn geplündert werden muss, schickt man kleine Abteilungen los. Sie überfallen ein Dorf, schnappen sich alle Lebensmittel und die Tiere, nehmen die jungen Frauen mit und verschwinden wieder, so schnell es geht. Wenn sie im Feindesland plündern, brennen sie die Hütten ab.«
    »Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was hier passiert ist.«
    Er zog die Nase auf. »Hier haben sie sich Zeit gelassen«, gab er schließlich zu.
    »Sie hatten noch nicht einmal angefangen zu plündern. Sie hatten nur …«, das Wort bereitete ihr Mühe, »… ihren Spaß mit den Leuten. Was ist der Grund dafür?«
    Er antwortete lange Zeit nicht. Sie lauschte mit all ihren Sinnen in die Finsternis. Was sie empfing, war Bitterkeit und das Gefühl, das jemand haben musste, der eine Schlucht überwunden hatte, am anderen Rand drüben stand und zurückblickte und feststellte, dass er hüben etwas Wertvolles vergessen hatte.
    »Entweder ist ihr Heer in unmittelbarer Nähe und hat die Gegend weitgehend unter Kontrolle, oder sie sind verrückt, oder …«
    »Oder?«
    Lorenzo schwieg.
    »Oder es ist so, weil es einfach so ist und weil solche Dinge nun mal passieren, wenn Krieg herrscht, und weil es der Teufel ist, der das Kriegshandwerk betreibt?«
    »Der Teufel hat damit nichts zu tun, Schwester.«
    »Ich habe es metaphorisch gemeint.«
    »Der Teufel begnügt sich damit, die Sünder zu bestrafen, die zu ihm in die Hölle

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