Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
Sandstrand, wie sie das erwartet hatte, sondern nur schroffe Felsen, die hohen, dicht bewachsenen Berge und vor ihnen das Fort, das die Stadt schützte.
Es herrschte reges Treiben am Hafen. Männer mit voll beladenen Karren fuhren vorbei, Kinder liefen zwischen den Matrosen hindurch, ein Hund saß ganz in der Nähe und kratzte sich hingebungsvoll, und gelegentlich sah man auch kostbar gekleidete Damen in Begleitung von Zofen und dunkelhäutigen Dienern. Zwei französische Handelsschiffe lagen nahe am Land und wurden über einen Steg mit Wasser und Vorräten beliefert, ein französisches Kriegsschiff lichtete soeben den Anker, und eine schnittige Barke mit amerikanischer Flagge schaukelte etwas weiter draußen in den Wellen. Daneben waren noch kleinere Fischerboote zu sehen und Ruderboote, die offenbar das amerikanische Schiff zum Ziel hatten. Vanessa sah einige herausgeputzte Frauen darin, manche noch blutjung und hübsch, andere schon etwas älter, und alle lachten und winkten. Ein weiteres Boot stieß gerade vom Ufer ab, und es war eindeutig, dass es auf die Independence zusteuerte.
Robert zog die Augenbrauen zusammen, legte die Hände trichterförmig an den Mund und schrie so laut zu seinem Schiff hinüber, dass Vanessa sich unwillkürlich die Ohren zuhielt.
»Dass mir keines von diesen Weibern an Bord kommt, Finnegan! Haben Sie mich verstanden?«
Finnegans »Aye, Sir«, klang als Antwort herüber, und Vanessa machte große Augen.
»Was wollen die Frauen denn auf dem Schiff? Sind das Händlerinnen?«
Die Männer grinsten verstohlen, und Robert verzog gequält den Mund. »Ja, das könnte man so sagen. Aber jetzt komm.« Er fasste sie am Arm, doch Vanessa blieb stehen und starrte zu dem kleinen Boot hinüber, das von zwei kräftigen Männern gerudert wurde.
»Sind das … sind das etwa … Aber Robert! So viele! Da sind ja mindestens zwölf davon im Boot, und dort ist noch eines … und …!«
»Ja, schon gut. Das ist so üblich, weißt du. Komm jetzt bitte.«
»Überall?«
»Ja. Überall«, erklärte Robert ungeduldig. »Auch in englischen und französischen Häfen. Sag nicht, du hast das noch nie gesehen.«
Vanessa schüttelte nur langsam den Kopf und konnte sich kaum von dem Anblick losreißen. Sie hatten durch den Aufenthalt und die Rückfahrt nach Dover den Hafen in Portsmouth erst in letzter Sekunde erreicht und waren gerade kurz vor Einsetzen der Flut an Bord gekommen. Sie war zwar an der Reling gestanden, als sie aus dem Hafen ausgelaufen waren, hatte aber nur aufs Meer hinausgeblickt.
Als Robert den Weg zur Stadt einschlug, hielt sie sich lachend an ihm fest. »Der Boden ist so stabil, mon Capitaine! Ich weiß gar nicht, wie ich darauf gehen soll!«
Robert schmunzelte, und die anderen nickten grinsend. »Das geht uns allen jedes Mal so, wenn wir an Land kommen. Aber das dauert nicht lange, Vanessa, bald hast du dich wieder daran gewöhnt.«
Sie waren stillschweigend übereingekommen, darauf zu verzichten, sich vor den anderen mit Madam und Monsieur anzusprechen. Seit dem Tag, an dem sie das andere Schiff besiegt hatten, lebte Vanessa offiziell mit Robert zusammen. Es gab auch keinen Grund, etwas verschämt zu verheimlichen, das inzwischen ohnehin schon die ganze Mannschaft wusste.
Sie hatten die ersten Häuser erreicht. Einige armselige Hütten waren darunter, vor denen mehrere alte Leute ein Schwätzchen hielten. Immer wieder sah Vanessa dunkelhäutige Männer, die nur mit knapp bis unter die Knie reichenden Hosen bekleidet waren und deren Rücken deutliche Peitschenspuren aufwiesen.
»Sklaven«, sagte Robert kurz, als Vanessa auf zwei Männer deutete, die sich mit einer schweren Kiste abmühten. »Man gewöhnt sich daran, wenn man öfter an Land geht.«
»Sie werden geschlagen!«
»Das werden Seeleute auch«, sagte Robert achselzuckend. »Und noch schlimmer als die beiden dort. Es gibt Kommandanten, da werden die geringsten Vergehen mit Prügelstrafen vergolten, und kaum einer kommt mit weniger als dreißig Hieben davon. Ich habe auch als normaler Matrose angefangen und etliche Hiebe bekommen, bevor ich Offizier wurde.«
»Aber du warst ein freier Mann«, widersprach Vanessa, während sie neben ihm herlief. »Keiner hat dich gezwungen, an Bord eines Schiffes zu gehen.«
»Mich nicht, aber viele andere schon. Oder wie, meinst du wohl, schaffen es die Admiräle, ihre Schiffe so voll zu kriegen? Du hast doch selbst gesehen, wie hart die Arbeit an Bord ist – meinst du etwa, die
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