Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
erwiderte Dunkins mit Genugtuung. »Dass Euch das stört, kann ich gut verstehen. Auch wenn man annehmen sollte, meine verehrte Vanessa, dass Ihr Euch während der Zeit, in der Ihr hier unter dem Schutz Eures Onkels und Englands lebtet, eine andere Gesinnung zugelegt hättet.« Vanessas Tante hatte die Besuche dieses Mr. Dunkins gefördert, der eine ebenso heftige wie aussichtslose Neigung zu Vanessa gefasst zu haben schien und sie seinem Charakter entsprechend einerseits bevormundete, mit den Ergüssen seiner umfassenden Lebenserfahrung überschüttete und sie andererseits so mit seinen Anträgen und Zudringlichkeiten verfolgte, dass sie fluchtartig das Haus verließ, wenn sie seine Kutsche in der Ferne auftauchen sah.
»Diese Gesinnung wird immer die gleiche bleiben«, erwiderte sie kalt. »Ihr habt vermutlich noch nie einen Kampf auf See gesehen, auch wenn Ihr so sprecht, als wärt Ihr selbst mittendrin gewesen. Es ist grauenvoll, Mister Dunkins. Menschen werden von den Kanonenkugeln entzweigerissen, das Blut fließt in Strömen ins Meer. Ja, das tut es«, sagte sie an eine der Damen gewandt, die sich mit einem entsetzten Laut ihr Tüchlein an den Mund hielt. »Überall Verstümmelte, die Arme und Beine verloren haben, halb Erblindete. Einige Stunden vorher habt Ihr noch mit den Leuten gesprochen, und dann werden ihre Leichen, wenn sie nicht einfach über Bord geworfen werden, in Segeltuch eingenäht und dem Meer übergeben.« Sie hatte sich in Rage geredet. »So sieht eine Schlacht aus! Menschenvernichtung und Zerstörung! Nicht anders als an Land!«
Ein bitterböser Blick von ihrer Tante ließ sie verstummen. Sie starrte zuerst zurück, gab dann jedoch nach, senkte den Kopf, und obwohl es in ihr kochte, tat sie so, als wäre sie in ihre Arbeit vertieft. Sie horchte erst wieder auf, als die Sprache auf die ehemaligen Kolonien kam. Es ging um die zum Teil schweren Diskrepanzen zwischen den Königstreuen und jenen Amerikanern, die sich vom Mutterland abspalten wollten.
Ihr Onkel nickte. »So wäre es vermutlich auch uns ergangen, hätten wir uns nicht schon früher entschlossen gehabt, hierherzuziehen.«
»Es ist unglaublich, wie sich diese Rebellen benommen haben«, wetterte Mr. Dunkins. »Meine Schwester konnte sich mit ihrer Familie noch rechtzeitig nach Kanada retten, aber andere hatten weniger Glück. Tausende wurden festgenommen und in Lager gesteckt, und einen meiner ehemaligen Nachbarn, der sein Geschäft nicht aufgeben wollte, hat der Pöbel sogar geteert und gefedert. Und das war kein Einzelfall!«
»Die Leute müssen sehr aufgebracht gewesen sein, dass sie so weit gegangen sind«, konnte Vanessa sich wieder nicht zurückhalten. Sie mischte sich sonst nicht in die Gespräche ihres Onkels, aber es ging um Roberts Heimat. Sicher sagte Mr. Dunkins die Wahrheit, aber diese Geschichte warf einen ungünstigen Schatten auf das strahlende Bild, das sie sich von Roberts Landsleuten gemacht hatte.
»Alles nur Barbaren«, erregte sich Dunkins weiter, während ihre Tante und die Gänse, die sie ihre ›lieben Freundinnen‹ nannte, eifrig nickten. »Aufgebracht? Wovon denn? Neid war es! Purer Neid auf die Großgrundbesitzer und wohlhabenden Kaufleute, die sich mit schwerer Arbeit Besitz erworben haben. Aber der Mob will so etwas ja gleich mit einem Schlag. Arbeitsfaul, aber gierig, das sind sie! Mit diesem Land kann es nur ein schlechtes Ende nehmen. Sie werden schon sehen, was sie davon haben, wenn sie sich von England und der Krone lossagen – eine Anarchie wird das! Ohne Chance auf eine Zukunft!«
»Der Pöbel ist leicht erregbar«, erwiderte Vanessas Onkel beruhigend. »Man darf davon nicht auf alle schließen. Ich selbst habe immer noch gute Freunde unter den Leuten dort, mit denen ich bis zum Ausbruch des Krieges immer in Briefkontakt gestanden habe.«
»Mag sein, dass es noch einige wenige gibt, die Vernunft zeigen, aber der Großteil …« Dunkins machte eine abfällige Handbewegung.
Vanessa dachte betroffen über seine Worte nach. Alles in ihr sträubte sich, ihm zu glauben. Robert hatte immer so voller Stolz von seinem Land gesprochen. »Ich habe, als ich noch in Frankreich war, kurz bevor mein Mann verstorben ist, den Vertreter der Vereinigten Staaten kennengelernt«, sagte sie schließlich aus einem Impuls heraus.
»Vereinigte Staaten«, höhnte Dunkins. »Wenn ich das schon höre!«
»Es war ein gewisser Benjamin Franklin«, fuhr Vanessa ungerührt fort. »Ein sehr eindrucksvoller,
Weitere Kostenlose Bücher