Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
einmal einen sehr verlegenen Eindruck machte. Eine der Besucherinnen kicherte, und der Rest sah Vanessa abschätzend an.
»Onkel? Was hat das zu bedeuten?«
»Ich habe Euch zwar gesagt, dass ich einer Werbung wohlwollend gegenüber stehe«, sagte dieser endlich langsam und bedächtig an Dunkins gewandt, »aber Vanessa ist ihr eigener Herr, sie hat das letzte Wort, welchen Mann sie zu ihrem neuen Gatten wählen will.«
»Und ich werde keinen wählen!«, fuhr Vanessa auf. »Ich bin nämlich schon verheiratet!« So jedenfalls fühlte sie sich, seit sie Roberts Ring wieder am Finger trug.
»Dein Mann ist tot«, ließ sich da Mrs. Albreight vernehmen, die bisher unter missbilligendem Schweigen zugehört hatte, während ihre Besucherinnen Vanessa sensationslüstern angafften.
Vanessa setzte schon an, ihr entgegenzuschleudern, dass ihr Geliebter sehr wohl lebte und auf der Seite der ehemaligen Kolonien kämpfte, wurde jedoch durch Martins Eintritt unterbrochen, der mit wenigen Schritten bei ihr war und ihr die Hand auf die Schulter legte. »Verzeiht, wenn ich störe, Madame, aber draußen steht das Mädchen von Mrs. Baxter und will mit Euch sprechen.«
»Ja, natürlich.« Vanessa erhob sich, wohl wissend, dass Martin schon die ganze Zeit an der Tür gestanden sein musste und jedes Wort mitgehört hatte. Sie ging wortlos aus dem Zimmer. Ihre Tante würde sie später wieder für ihre Unhöflichkeit schelten, aber das war ihr gleichgültig.
»Das wäre sehr unklug gewesen, Madame «, sagte Martin auch schon leise, nachdem sie den Raum verlassen hatten. »Es würde die Leute nur misstrauisch Euch gegenüber machen.«
»Du hast ja recht«, flüsterte sie zurück, »aber ich bin so wütend geworden.«
»Das habe ich bemerkt«, erwiderte Martin trocken und schob sie zur Veranda hinaus.
17. Kapitel
W enn Vanessa bisher ungern hier gelebt hatte, so begann sie von nun an ihren Aufenthalt auf Jamaika zu verabscheuen. Obwohl ihr ihr Onkel stets mit aufrichtiger Zuneigung begegnet war, ließ seine Gattin sie ihre wachsende Abneigung fühlen und machte ihr das Leben so unangenehm wie möglich, noch dazu jetzt, nachdem Dunkins zu Vanessas geheimer Erleichterung endlich eingesehen hatte, dass ihr Desinteresse an ihm nicht nur geziertes Kokettieren gewesen war, denn er erfreute nun eine ältere Witwe, deren Mann vor einigen Wochen gestorben war und ihr eine kleine Plantage hinterlassen hatte, mit seinen Aufmerksamkeiten. Mrs. Albreight, die wohl befürchtete, Vanessa würde ihr bis ans Ende aller Tage bei den anderen Siedlern Konkurrenz machen, fand darin immer wieder einen Grund, ihr Vorhaltungen zu machen, aber Vanessa gewöhnte sich daran, nicht auf die Vorwürfe zu hören, und begann, das Haus so weit wie möglich zu meiden.
Sie wäre schon längst in Roberts Heimat gereist, hätte sie nicht befürchten müssen, dass er sie dann unter Umständen vergeblich hier suchte. Die Mannschaften englischer Schiffe hatten bereits davon erzählt, und in den Zeitungen, die mit einiger Verspätung aus Europa kamen, konnte man nachlesen, dass Verträge zwischen den ehemaligen Kolonien und der Krone sowie den anderen Staaten geschlossen worden waren, aber Vanessa konnte es nicht oft genug hören, und sie lauschte aufmerksam, als ihr Onkel nach dem Mittagessen einen Brief seines Freundes aus England vorlas. Sie saß mit geschlossenen Augen am Fenster und sah nur Robert vor sich. Der Krieg war endgültig zu Ende. Ein Friedensvertrag war geschlossen worden, und nichts würde ihn nun mehr davon abhalten können, sie zu sich zu holen!
Von da an wartete sie jeden Tag auf eine Mitteilung von Robert oder gar die Nachricht, dass sein Schiff im Hafen lag und er kam, um sie abzuholen. Sie stand täglich auf einem kleinen Hügel, von dem aus sie weit über die Küste blicken konnte, und hoffte bei jedem Segel, das am Horizont auftauchte, es sei die Independence.
Dennoch vergingen die Wochen, ohne dass sie etwas von Robert hörte. Nicht einmal die kleinste Nachricht über seinen Verbleib war ihr von ihm zugegangen, und Vanessa, die durchaus den Eindruck hatte, die letzten Jahre in angemessener Geduld verbracht zu haben, wurde immer verzweifelter und versuchte, sich abzulenken. Wenn sie früher nur gelegentlich die heranwachsenden Pflänzchen in dem kleinen Obst- und Gemüsegarten, der sich dem Herrenhaus anschloss, gehegt hatte, so war sie nun viele Stunden dort zu finden, ebenso wie im Hospital, wo der Arzt dankbar war für eine Helferin, die
Weitere Kostenlose Bücher