Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
schrieb von einer ›kleinen Verletzung an der Hand‹, nichts Besonderes, wirklich nur eine Kleinigkeit, die bald wieder verheilt sein würde, nur hindere sie ihn ärgerlicherweise daran, leserlicher zu schreiben. Ihr Herz krampfte sich vor Sorge und Angst zusammen, und sie wünschte nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein und sich davon zu überzeugen, dass er wieder gesund war. Nicht zum ersten Mal verdammte sie den Krieg und Roberts Starrköpfigkeit, die ihn sie hier hatte absetzen lassen. Wenn sie doch nur bei ihm sein könnte! Ihn pflegen und umhegen!
Sie atmete auf, als die Schrift zwei Blätter später wieder kräftiger wurde. Er schrieb von der Reise, erwähnte nur ganz beiläufig einige Kämpfe, erzählte von zwei Prisen, die sie gemeinsam mit der Treasury genommen hatten, fügte Grüße der Mannschaft ein, schrieb dann, dass der Befehlshaber der englischen Streitkräfte, Lord Cornwallis, sich General Washington in Yorktown ergeben hatte und sprach seine Hoffnung aus, dass der Krieg nun bald zu Ende war und er sie endlich abholen konnte.
»Gebe das der Himmel«, murmelte Vanessa und schloss sekundenlang die Augen. Der Sieg Washingtons über Cornwallis war nun schon über fünf Monate her, und der Krieg dauerte immer noch an.
Dann brach der Brief plötzlich ab, und ganz unten auf dem letzten Blatt fand sich die hastig hingeworfene Mitteilung, dass er auf Captain Martaire getroffen war – sie erinnerte sich an ihn? Er hatte ihr von dem Würfelspiel erzählt – und ihm diesen Brief mitgeben könne. Noch einige liebevolle Worte, er umarmte sie zärtlich und sehnte sich nach ihr, hoffte, dass sie seinen Ring trage, ihm ebenso treu und liebevoll ergeben sei wie er ihr – das Letztere zweimal so dick und energisch unterstrichen, dass sich die Feder gespreizt hatte –, und zum Abschluss seine schwungvolle Unterschrift.
Vanessa tupfte ihre Tränen weg und küsste den Ring. Sie wollte weinen, sich ins Bett legen und so lange vor Erleichterung und Freude weinen, bis sie keine Tränen mehr hatte, aber dazu war jetzt keine Zeit. Sie stand rasch auf, holte aus dem Geheimfach ihrer Truhe die Briefe, die sie fast täglich an Robert geschrieben hatte, setzte sich an den kleinen Schreibtisch, tauchte die Feder ins Tintenfass und nahm ein neues Blatt. Sie schrieb, wie glücklich und dankbar sie war, ein Lebenszeichen von ihm zu erhalten und wie sehr sie hoffte, dass er wohlauf sei und wie besorgt sie über seine Verletzung gewesen war. Sie schrieb davon, dass man auch hier auf Jamaika hoffte, dass der Krieg bald zu Ende sei und dass sie es kaum erwarten konnte, wieder in seinen Armen zu liegen und ihm all die Zuneigung zu geben, die sich in ihr aufgestaut hatte. Sie schrieb heiter, um ihm eine Freude zu machen, obwohl sie vor Sehnsucht nach ihm nicht halb so frohgemut war. Dann trocknete sie die Tinte, faltete den Brief zusammen, versiegelte ihn und wickelte ihn gemeinsam mit den anderen in ein weiches Ledertuch, das sie für diese Gelegenheit schon vorbereitet hatte. Sie band es fest zusammen und trat dann hinaus auf die Veranda, um Martin zu winken.
Der sah schmunzelnd auf das üppige Päckchen. »Ihr scheint in den vergangenen Jahren nichts anderes getan zu haben, als heimlich Briefe zu schreiben, Madame. Wenn ich bedenke, dass Ihr früher kaum dazu gebracht werden konntet, auch nur ein kleines Grußkärtchen zu verfassen …«
Vanessa lächelte nur und küsste ihn auf die Wange. »Nimm Jack mit, wenn du zum Hafen gehst, Martin. Er mag das Meer so gern, und hier sieht er nichts anderes als Zuckerrohr und Melasse. Und … und bedanke dich in meinem Namen bei Captain Martaire viele tausend Mal für seine Liebenswürdigkeit.«
»Das werde ich tun, Madame. «
Als er fort war, legte sich Vanessa auf ihr Bett, schloss die Augen und dachte lange an ihren Geliebten.
Kurz nachdem sie Roberts Brief erhalten hatte, wurde es unruhig auf der Insel. Man hatte Nachricht bekommen von einer französischen Flotte, die von Martinique aus Richtung Jamaika unterwegs war, um die Insel zu erobern. Die Franzosen hatten sich dabei angeblich unter dem Befehl Admiral de Grasse’ mit den Spaniern verbündet. Man verstärkte die Festungen am Meer, und auch Vanessas Onkel ließ die Plantage besser befestigen und kaufte zusätzliche Waffen ein. Wenn die Invasoren tatsächlich an Land kommen sollten, so würde er sogar einige der verlässlicheren Sklaven bewaffnen.
Vanessa kannte François de Grasse flüchtig, sie hatte ihn einmal in
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