Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
schon grausame Kampfwunden gesehen hatte und nicht vor den oft schlimmen Verletzungen, die sich die Arbeiter auf der Plantage und noch viel mehr in der Zuckerraffinerie zuzogen, zurückschreckte. Sie begann auch ihre Freundschaft mit dem Pater zu pflegen, der aus der Stadt heranreiste, um jeden Sonntag in der Kapelle die Messe zu lesen, und nahm oft gern sein Angebot an, ihn in seiner Kirche zu besuchen.
Doch eines Tages kehrte sie von einem dieser Ausflüge nach Kingston zurück, die sie nicht wie üblich nur in Begleitung von Martin und Jack, sondern gemeinsam mit ihrem Onkel und ihrer Tante unternommen hatte, und wurde von einem aufgeregten Hausmädchen empfangen, als die Kutsche vor dem Haus stehen blieb.
»Ein Besucher, Miss Vanessa! Er wartet schon eine Stunde auf Euch und will nicht gehen, bevor er Euch nicht gesehen hat!« Das Mädchen winkte sie heran. »Ein Offizier aus den ehemaligen Kolonien! Kommt schnell, Miss!«
Vanessa fühlte ihre Knie weich werden. Jetzt erst bemerkte sie den fremden, zweispännigen Wagen, der wartend etwas abseits im Schatten unter den Bäumen stand. Ein Mann hielt die Pferde am Zügel. Er hatte seinen Hut tief gegen die Sonne ins Gesicht gezogen. Als Vanessas Blick auf ihn fiel, wandte er sich ab und bückte sich, um den Huf eines der Pferde zu untersuchen.
Sie dachte jedoch nicht länger über ihn nach, sondern drückte Martins Hand, der ihr aufmunternd zulächelte, als er ihr aus der Kutsche half.
»Ein Besucher? Aus den Kolonien? Für deine Nichte?« Mrs. Albreight verzog indigniert den Mund, aber Vanessa achtete gar nicht auf sie, sondern lief schon zum Haus.
Sollte es gar Robert sein? Oder jemand, der ihr zumindest Nachricht von ihm brachte? Während sie ins Haus trat, überkamen sie jedoch Zweifel, und in die erwartungsvolle Freude mischte sich Angst. Nicht alle Nachrichten waren auch gut oder erfreulich. Sie blieb kurz vor der Tür zum Empfangssalon stehen, schloss die Augen und atmete tief durch, bevor sie die Hand auf den Türknauf legte und ihn herumdrehte.
Sie machte die Tür langsam, fast zögernd auf, um die Hoffnung so lange wie möglich zu erhalten. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, und ihre Hände zitterten. Dann war die Tür offen, und sie erblickte den Besucher. Der Mann, der sich bei ihrem Eintreten umwandte, war nicht Robert.
Die Enttäuschung überfiel sie wie eine schwarze Wolke, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Der Mann war tatsächlich Marineoffizier, er trug eine Uniform, und die beiden Epauletten an den Schultern zeigten, dass er den Rang eines Captains innehatte. Sie versuchte ein Lächeln, das – wie sie selbst wusste – sehr dürftig ausfiel, rang nach Fassung und trat dann auf ihn zu.
»Ihr habt nach mir gefragt, Sir? Ich bin Vanessa de Chastel.« Der Mann kam ihr bekannt vor, diese verlebten Züge, die schmalen Augen, die sie jetzt prüfend musterten, und obwohl sie krampfhaft überlegte, konnte sie sich jedoch nicht erinnern, wann und wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Es war aber eine unangenehme Begegnung gewesen, das wusste sie.
Er kam ebenfalls auf sie zu, griff nach ihrer Hand und beugte sich darüber. »Es ist mir eine Ehre, Madam.«
Sie entzog ihm schnell wieder ihre Hand und verschränkte die Finger ineinander. »Ihr wolltet mich sprechen?«
»Ja, gewiss. Aber ich sehe, Sie erinnern sich nicht an mich, nicht wahr? Und wenn ich ehrlich sein soll, Madam, dann bin ich darüber nicht böse. Es war«, er räusperte sich, »eine Begegnung, in der ich sehr unvorteilhaft abgeschnitten habe. Was ich zutiefst bereue. Mein Name ist James Stranec. Ich hatte auf Martinique das Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Vanessas Augen wurden groß. Jetzt fiel ihr wieder ein, wann sie ihn gesehen hatte! Es war tatsächlich auf Martinique gewesen. Er war jener Offizier, der sie beleidigt hatte und dafür von Robert niedergeschlagen worden war. Ihr erster Impuls war, auf der Stelle umzudrehen und ihn stehenzulassen, dann zögerte sie jedoch. Immerhin war dieser Mensch, so unangenehm er sich damals auch benommen hatte, ebenso Marineoffizier wie Robert. Vielleicht brachte er ja eine Nachricht von ihm!
»Bevor ich Ihnen mein Anliegen – oder wohl eher eine Botschaft – übermittle«, fuhr er mit einem gewinnenden Lächeln fort, »möchte ich Sie für mein damaliges Benehmen um Verzeihung bitten. Ich hatte zu viel getrunken und war nicht mehr Herr meiner Sinne, sonst wäre es niemals zu diesem Vorfall gekommen.«
Vanessa nickte nur,
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