Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
hielten und sich ihm entgegengestellt hatten, entweder getötet oder mit dem Boot an Land und in die Hände von Ramirez geschickt hatte. Den verbleibenden, so sie nicht ohnehin zu seiner alten Mannschaft gehörten und nur dazu gezwungen worden waren, sich seinem verkommenen Bruder anzuschließen, hatte er angekündigt, dass er mit jedem kurzen Prozess machen würde, der sich seinen Befehlen widersetzte oder zuwiderhandelte. Er musste sich auf seine Leute verlassen können und konnte keine verkommenen, zwielichtigen Subjekte brauchen, die ihm bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken fielen.
Er hatte von Ramirez, dessen gut bezahlte Loyalität immer noch den neuen Vereinigten Staaten gehörte, erfahren, dass mehrere englische Kriegsschiffe in diesen Gewässern kreuzten, die auf der Jagd nach amerikanischen Kaperern waren. Im Moment hatte er nicht die geringste Lust, sich auf einen Kampf mit einer Übermacht einzulassen, dafür war ihm der Aufenthalt in dem englischen Gefängnis noch zu frisch im Gedächtnis. Seine Zeit würde kommen, aber vorerst zog er es vor, das Weite zu suchen und sich davon zu überzeugen, dass die Independence ausreichend seetüchtig und das Waffenarsenal an Bord einsatzbereit war. Die Fregatte zählte zwar zu den schnellsten und besten Schiffen der neuen amerikanischen Marine und war mit einer Bewaffnung von achtundzwanzig Kanonen ebenso imstande anzugreifen wie sich zu verteidigen, aber es wäre ein Fehler gewesen, die Engländer zu unterschätzen, und reiner Selbstmord, sich mit mehreren Kriegsschiffen anzulegen. Er würde sein Schiff, jetzt, da er es endlich wieder zurückerobert hatte, nicht sofort sinnlos in Gefahr bringen.
Er durchquerte die Achterkajüte mit dem großen Esstisch, an dem die früheren Kommandanten der Independence – damals hatte sie noch Marie-Antoinette geheißen und später Lady Mary – ihre hochherrschaftlichen Besuche empfangen hatten. Bevor er von den Engländern gefangen genommen worden war, hatte er dort meist mit seinen Offizieren gespeist. Von denen jetzt fast die Hälfte tot war. Einige waren bei dem Kampf im Kanal ums Leben gekommen, andere hatten die Monate der Gefangenschaft in dem englischen Gefängnis nicht überlebt. Ohne Matt Parmer, der ihn und die letzten Überlebenden seiner Mannschaft ausgetauscht hatte, wäre wohl letzten Endes auch ihm kein besseres Schicksal beschieden gewesen.
So jedoch war er wieder hier. Auf seinem Schiff, das sein Bruder zu einem Piratenschiff degradiert und mit dem er harmlose Reisende angegriffen hatte. Er merkte, wie wieder Zorn auf diesen missratenen Kerl in ihm hochstieg, schob diesen ärgerlichen Gedanken jedoch beiseite und betrat seine Kajüte, zu der außer Finnegan und seinem Steward niemand Zugang hatte. Sein ganz persönliches Reich.
Er ging langsam herum, feierte mit seinen liebgewonnen Gegenständen Wiedersehen, sah in die Truhe, öffnete den Schrank und war nicht im Mindesten erstaunt, ihn überfüllt und gut bestückt zu sehen – Malcolm hatte schon als junger Mann viel Wert auf Kleidung gelegt und seine eigene, bescheidene Ausstattung wesentlich vergrößert. Vermutlich alles Beute. Nun, er würde die Sachen eben unter der Mannschaft verteilen. Die Heuer, die seine Leute bezogen, war nicht allzu hoch, da würden sie gute Kleidungsstücke wohl zu schätzen wissen. Er wanderte weiter zum Schreibtisch, der fast ein Viertel des Zimmers ausfüllte und auf dem etliche Seekarten lagen. Teilweise zusammengerollt, teilweise offen und mit exotischen Muscheln auf dem Tisch befestigt. Er strich mit der Hand liebevoll über die Schnitzerei an dem kostbaren Stuhl, in dem er so viele Stunden verbracht hatte, meist in eine Karte oder offizielle Schriftstücke vertieft oder einfach nur mit einem Buch in der Hand – einem der wenigen, die er gelesen hatte. Dieser Stuhl stammte noch von seiner Mutter und war ein Teil ihrer Aussteuer gewesen, die sie, eine wohlbehütete junge Dame aus England, mitgebracht hatte, als sie dem Ruf der Liebe und dem Heiratsantrag eines Farmers aus den Kolonien gefolgt war, um mit ihm ein schweres, aber glückliches Leben zu führen. Sie war gestorben, als er ein Junge gewesen war, und sein Vater hatte dann erneut geheiratet – Malcolms Mutter.
Er sah sich zufrieden um und genoss das Gefühl, »daheim« zu sein. Er ging zu seinem bequemen Bett, das er nicht minder vermisst hatte, und sah mit einem Stirnrunzeln die Seidenbettwäsche. Sobald sein Steward wieder bei ihm war, würde
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