Die Braut des Herzogs (German Edition)
Lady Darlington, entrüstet über diese Unterstellung. Olivia wischte diesen Einwand unwillig beiseite, sagte jedoch bestätigend: »Einen Pferdeknecht, auf den diese Beschreibung zutrifft, gibt es hier im Hause wirklich nicht.«
»Was ist das bloß für eine geheimnisvolle, aufregende Geschichte!« rief Lady Darlington aus.
»Und du bist auf seine bloßen Worte hin nach London gereist?« wollte Olivia von ihrer Stiefmutter wissen.
»Ihr hättet doch annehmen müssen, daß ich einem Boten einen Brief mitgeben würde. Soviel Zeit hat man doch immer, daß man ein paar Zeilen zu Papier bringt.«
»Darüber haben wir uns nicht den Kopf zerbrochen«, entgegnete Marilla, leicht gekränkt. »Wir haben erfahren, daß du uns brauchst, und ich bin gekommen. Es hätte ja etwas mit dem Herzog von Wellbrooks sein können, mit eurer Verlobung … oder etwas mit … na, du weißt schon, eben irgend etwas Wichtiges.«
Olivia drückte ihrer Stiefmutter warm die Hand: »Es ist schön, wenn man weiß, daß man jemanden hat, auf den man sich verlassen kann!« sagte sie.
Auch Lady Darlington fuhr aus ihrem fassungslosen Schweigen auf. »Ja, Sie wissen es ja noch nicht, meine Liebe: Wellbrooks und Olivia haben sich tatsächlich verlobt! Es wird in der nächsten Ausgabe der Gazette bekanntgegeben.«
Marilla war sofort vom eigentlichen Gesprächsthema abgelenkt: »Das ist aber wirklich eine freudige Nachricht!« rief sie aus und umarmte ihre Stieftochter: »Ihr werdet bestens zusammenpassen, meine Liebe. Ich gratuliere dir. Ich kann dir keinen besseren Mann wünschen.«
Olivia, ihrer Unstimmigkeiten mit dem Herzog eingedenk, bremste diesen Überschwang, indem sie mit kühler Stimme sagte: »Ja danke, Marilla. Ich habe euch meine Verlobung in einem Brief mitgeteilt. Dieser wird jedoch erst in ein paar Tagen auf Redbridge Manor eintreffen. Doch nun läßt mir die Geschichte mit diesem Boten keine Ruhe. Ich muß unbedingt herausfinden, was dahintersteckt.«
Es schien ihr, als sei ihre wohlgeordnete Welt nun völlig aus den Fugen geraten. So vieles war ihr unerklärlich, so viele offene Fragen.
Lady Darlington, die sich an ihre Hausfrauenpflichten erinnerte, schaltete sich nun ein und fragte, ob ihr Gast eine Erfrischung wünsche.
Marilla lehnte ein Getränk dankend ab, fragte aber, ob sie sich in einem Zimmer frisch machen dürfe.
»Ich habe mich noch gar nicht nach einem Hotelzimmer umgesehen«, erklärte sie. »Da meine Abreise so überstürzt erfolgte, konnte ich mein Kommen in meinem, im Haus meines Sohnes, nicht ankündigen. Dieses wird zur Zeit nicht bewohnt, und so haben wir nur ein Dienerehepaar dort angestellt, und diese wären mit meinem Aufenthalt sicher überfordert. Andererseits möchte ich für ein paar Tage nicht extra Personal einstellen.«
»Aber, das ist auch gar nicht nötig!« rief Lady Darlington aus, »Hotelzimmer! Nein, davon möchte ich wirklich nichts hören. Sie sind selbstverständlich Gast in meinem Haus! Das wäre ja noch schöner, wenn die Stiefmutter meiner Nichte in ein unbequemes Hotelzimmer abgeschoben würde! Nein, ich habe schon bei Ihrer Ankunft Anweisung erteilt, Ihr Gepäck in das blaue Gästezimmer zu bringen, und ich hoffe, Ihre Kammerfrau ist bereits dabei, die Koffer auszupacken.«
»Ich danke Ihnen vielmals«, entgegnete Marilla erfreut. »Ich nehme Ihre Einladung mit Freuden an.«
Sie wandte sich Olivia zu: »Bist du so nett und zeigst mir mein Zimmer?« fragte sie.
Im blauen Gästezimmer, so benannt, weil Teppich und Vorhänge in Blautönen gehalten waren, war Myladys Kammerfrau tatsächlich gerade dabei, die Koffer auszupacken, wurde aber von ihrer Herrin kurzerhand hinauskomplimentiert.
»Du weißt wirklich nicht, was es mit dem Boten auf sich hat?« fragte Mylady, als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, und betrachtete ihre Stieftochter eindringlich.
»Nein, ich habe keine Ahnung«, sagte Olivia.
Marilla seufzte und ließ sich auf dem breiten Himmelbett nieder, das ebenfalls mit einer mattblauen Samtdecke zugedeckt war: »Und ich hatte gehofft, du würdest nur in Gegenwart deiner Tante nichts sagen wollen. Hast du irgend etwas von Mat gehört?«
»Wenn du meinst, ob ich herausgefunden habe, wo er sich aufhält, dann nein«, entgegnete Olivia zu ihrer Enttäuschung. »Aber ich habe Neuigkeiten über ihn erfahren. Zuerst habe ich Wellbrooks nach ihm gefragt. Ich habe mich als die Freundin der Frau deines Sohnes ausgegeben, ganz wie du es von mir verlangt hast.«
»Und?«
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