Die Braut des Herzogs (German Edition)
durchquerte hastig die Halle. Ihre Zofe sprang überrascht auf und beeilte sich, mit ihrer Herrin Schritt zu halten.
Krachend fiel die schwere Haustüre hinter den beiden ins Schloß.
»Er hat gesagt, du hättest deinen Körper und deine Heimat verkauft?« rief Lady Marilla entsetzt und blickte Olivia entgeistert an: »Ja, ist denn dieser Mann verrückt geworden?« Sie griff zu dem Riechfläschchen, das neben ihr auf dem Sofa lag, und roch daran: »Ich bin sicher keine überempfindliche Frau«, sagte sie. »Aber jetzt glaube ich, ich werde ohnmächtig!«
Marilla hatte keine Ruhe gehabt, seit Olivia das Haus verlassenhatte, um den Herzog aufzusuchen. Sie hatte sich nach dem Lunch kurz auf ihr Zimmer zurückgezogen, aber bald festgestellt, daß sie es in der Enge dieses Raumes nicht aushalten konnte. Sie war wieder nach unten gegangen, um im kleinen Empfangssalon auf ihre Stieftochter zu warten. Es war ihr gar nicht wohl bei der Sache, und sie fragte sich wiederholt, warum sie nicht nachdrücklicher darauf bestanden hatte, Olivia zu begleiten. Die Antwort lag jedoch klar auf der Hand: Auch wenn es Mylady schwer fiel, es sich einzugestehen: sie war einfach zu feige dazu gewesen. Zu feige, dem Herzog gegenüberzutreten, wie sie es bereits einmal getan hatte. Zu riskieren, eine Abfuhr erteilt zu bekommen. In seinen Augen die Verachtung zu lesen, darüber, daß sie ihren Sohn nicht verstanden hatte. Daß sie es zugelassen hatte, daß er, ohne ein Ziel zu nennen, fortgegangen war. Daß sie nicht versucht hatte, zwischen Vater und Mat zu vermitteln. Als ob sie je einen Einfluß auf ihren Gatten gehabt hätte! Dieser hatte doch stur nach seinen Vorstellungen von Recht und Moral gelebt und keinerlei Bereitschaft gezeigt, die Meinung eines anderen auch nur anzuhören, geschweige denn zu akzeptieren! Aber vielleicht, wenn sie ein bißchen mehr Verständnis für Mats Heiratspläne gehabt hätte, wäre es doch nicht so weit gekommen. Dann wäre vielleicht der Kontakt nicht gänzlich abgerissen. Betty Laroche. Warum hat er sie doch nicht geheiratet? Warum hat er sich nicht bei seinen Eltern gemeldet? Wie groß mußte Mats Erbitterung gegen seinen Vater – aber auch gegen sie selbst sein! Und es war nur zu natürlich, daß seine besten Freunde diese Erbitterung teilten. Nein! Sie wollte Wellbrooks nicht selbst nach Mats Aufenthalt fragen. Es war gut, diese Aufgabe an jemanden anderen zu übertragen. Marilla wußte, daß es Olivia gegenüber nicht fair war, sie für ihre Zwecke auszunutzen. Doch wurde das schlechte Gewissen darüber verdrängt von der Hoffnung, Olivia könnte erfolgreich sein. Als diese nach geraumer Zeit das Haus ihrer Tante betrat, bemerkte Marilla, die in die Eingangshalle getreten war, als sie den Türklopfer hörte, daß ihre Hoffnungen nicht erfüllt worden waren.
Ihre Stieftochter stand vor ihr, käsebleich, als habe sie ein Gespenst gesehen. Keine Miene verzog sich, als sie mechanisch dem Butler Hut und Handschuhe reichte. Marilla war ernstlich beunruhigt. Sie legte den Arm um Olivias Schulter. Diese ließ sich widerstandslos in den kleinen Empfangssalon führen.
»Was ist bloß geschehen?« fragte Marilla, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Soll ich nach Tee läuten?«
»Was ich jetzt brauche, ist ein doppelter Brandy«, sagte Olivia und wandte sich zum Beistelltisch, um nach der richtigen Karaffe zu greifen. »Möchtest du auch einen?«
»Einen Brandy?« rief Marilla aus. »Nein danke, wirklich nicht! Ich trinke nie Alkohol um diese Tageszeit!«
»Ich normalerweise auch nicht«, meinte Olivia. »Aber jetzt kann ich einen brauchen.«
»Nun setze dich und erzähle mir, was geschehen ist. Was hat Wellbrooks gesagt? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Olivia nahm ihrer Stiefmutter gegenüber Platz, umklammerte ihr Glas mit beiden Händen und schilderte dann, wie sich die Unterredung im Hause des Herzogs zugetragen hatte. Sie versuchte, sich an jede Einzelheit zu erinnern, an jeden Vorwurf, den ihr Wellbrooks gemacht hatte. Marilla hörte ihr mit großen Augen zu:
»Ich verstehe nicht, was Wellbrooks meint«, sagte sie schließlich. »Erkläre du mir: was sind die Gründe für sein seltsames Verhalten? Warum glaubt er dir nicht, daß du Mats Stiefschwester bist? Warum fragt er nicht genauer nach deiner verwandtschaftlichen Beziehung zu Mat, statt sie von vorneherein höhnisch zu bezweifeln?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Olivia ratlos.
»Warum glaubt er um
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