Die Braut des Herzogs (German Edition)
kommen sie nur ganz selten in die Stadt, denn, was man Richmond auch nachsagen kann, niemand kann ihm vorwerfen, er würde die Güter in Kent vernachlässigen.«
An diese Worte mußte Olivia denken, als sie sich jetzt zu ihrer Tante setzte, um ihr beruhigend über die Hand zu streicheln: »Ich nehme an, er hat auch seine Gattin mit nach London gebracht. Hast du beide in der Bond Street getroffen?«
Ihre Ladyschaft nickte mit so leidendem Gesichtsausdruck, daß Olivia fragte, ob sie sich denn vielleicht verpflichtet gefühlt habe, die beiden zum Dinner einzuladen.
»Viel schlimmer!« stöhnte die geplagte Tante. »Viel, viel schlimmer. Stell dir vor, sie kommen heute abend zu Lady Jerseys Ball. Haben Einladungskarten bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie zu dieser Ehre gekommen sind. Sally Jersey kann vulgäre Menschen nicht ausstehen!«
Das wußte Olivia nur zu gut, und die Votstellung, einen Abend im Haus einer der gestrengsten Patronessen des Almack’sin Begleitung einer aufgeregten Tante, ihres tölpelhaften Neffen sowie einer vulgären Kaufmannstochter verbringen zu müssen, konnte wirklich nicht dazu beitragen, sie in Vorfreude zu versetzen.
Es war nach dem Dinner, als der Butler meldete, Lord und Lady Darlington seien soeben vorgefahren, um die beiden Damen abzuholen.
Die Tante war blaß und zitterte ein wenig, als sie Olivia zuflüsterte, daß sie sich nicht vorstellen könne, wie sie diesen Abend überleben sollte, trat dann jedoch ihren Besuchern mit freundlichem Lächeln entgegen.
Olivia war auf das schlimmste gefaßt gewesen; was sie doch nun mit ihren eigenen Augen zu sehen bekam, übertraf ihre kühnsten Erwartungen: Lord Richmond war ein kleiner, untersetzter Mann, mit einem roten, runden Gesicht. Sein leicht geöffneter Mund ließ eine Reihe von Hasenzähnen erkennen, seine kleinen Augen lagen voller Bewunderung auf ihr. Er war nicht modisch, doch korrekt gekleidet. Die Hand eines Provinzschneiders war allerdings nicht zu übersehen. Als er sich über Olivias Hand beugte, um mit warmen, feuchten Lippen einen Kuß daraufzudrücken und auszurufen, wie erfreut er sei, den Schützling seiner Tante kennenzulernen, war das Knarren seines Fischgrätmieders nicht zu überhören.
Hatte es Olivia noch zuwege gebracht, Seine Lordschaft mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen, so wollte dieses schier erstarren, als ihr Blick auf dessen Gattin fiel. Diese war eine große Blondine mit draller Figur, Olivia schätzte sie auf Anfang Dreißig, in eine rosarote Robe gekleidet, die so eng über dem Oberkörper spannte, daß der Eindruck entstand, das Kleid würde im nächsten Augenblick platzen. Zu allem Überfluß waren Ausschnitt, Taille und Saum reich mit Rüschen und Schleifchen geschmückt. Ihre blonden Haare hingen, zu dicken Locken gedreht, auf beiden Seiten des Gesichts herunter, der Teint war vom vielen Aufenthalt in freier Natur gerötet, die Lippenpomade überreich aufgetragen. Um den Hals trug sie ein schweresRubinkollier, das die ältere Lady Darlington unschwer als jenes Erbstück wiedererkannte, das ihr schon in der Hand immer überladen vorgekommen war – zu der rosafarbenen Toilette wirkte es geradezu grotesk.
Die Besucherin fühlte sich sichtlich unbehaglich, einer derart strengen Musterung von den beiden anderen Damen ausgesetzt zu sein. Um dieses Gefühl zu überspielen, rief sie laut aus, wie sehr sie sich freue, die Miss kennenzulernen, von der sie schon so viel gehört habe: »Wirklich, Miss, Ihr Ruf ist sogar bis zu uns in die ländliche Einöde gedrungen. Es heißt, daß Sie schon vielen Männern den Kopf verdreht haben. Sie sind aber auch eine elegante Lady, glauben Sie es mir, äußerst schick. Sollte dir wirklich nicht schwerfallen, Tante, deine Nichte gut unter die Haube zu bringen.«
Olivia, die mit verschlossener Miene zugehört hatte, wollte soeben zu einer eisigen Erwiderung ansetzen, als ihr Blick auf das Gesicht ihrer Tante fiel, das sie anflehte, mit diesen entsetzlichen Verwandten keinen Streit zu beginnen. Sie begnügte sich damit, der Besucherin einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. Es war eine Wohltat für alle Beteiligten, daß in diesem Moment der Butler den Salon betrat, um mitzuteilen, daß Myladys Kutsche vor dem Haustor bereitstehe.
Zu allem Übel nutzte ihre Tante die kurze Fahrt zum Haus von Lady Jersey damit, ihren Unmut gegen Richmond und seine Gattin an Olivia auszulassen, so daß diese den heftigen Wunsch verspürte, zum Grosvenor Square
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