Die Braut des Herzogs (German Edition)
ließ noch seine Verletzung erahnen. Mit dem Gedanken, daß dies eine willkommene Ausrede dafür bot, nicht tanzen zu müssen, lehnte er sich bequem in die dunkelblauen Sitzpolster zurück und beglückwünschte sich zu dem Entschluß, seinen einsamen Abenden ein Ende gesetzt zu haben. Sicherlich war das die beste Möglichkeit, seinen trüben Gedanken zu entfliehen, und wenn er schon einmal dieser Miss aus Bath gegenübertreten mußte, dann sollte dies ohne weiteren Aufschub geschehen.
Sein Erscheinen im Ballsaal zu später Stunde erregte nicht geringes Aufsehen. Von allen Seiten wurde er begrüßt und gefragt, wo zum Teufel er denn gewesen sei. Die Gastgeberin selbst eilte herbei, um ihn willkommen zu heißen, eine junge Dame im Schlepptau, die sie ihm als ihr Patenkind, Miss Letitia Hawyland, vorstellte. Der Herzog, nach langer Einsamkeit in ungewöhnlich freundlicher Stimmung, machte Lady Jersey die Freude und blieb einige Minuten stehen, um mit dem Mädchen zu plaudern. Schließlich war er dann doch froh, als ein junger Mann erschien, dem Miss Hawyland den nächsten Tanz versprochen hatte.
Er begab sich auf die Suche nach MacAlister, schlenderte durch alle Räume, blieb da und dort kurz stehen, um mit Freunden und Bekannten zu plaudern, und genoß es, mehr als er es je für möglich gehalten hätte, wieder in seiner gewohnten Umgebung zu sein.
Er stand gerade bei einer Gruppe von Männern, um sich die Beteuerungen Lord Greenhoods anzuhören, daß er nunmehr ein Paar Graue erworben habe, die die Pferde Seiner Gnaden nun endgültig ausstechen würden, als sein Blick, den er achtlos durch den Saal streifen ließ, an der fülligen Gestalt von LadyDarlington hängenblieb. Von ihr glitt sein Blick zur Dame in ihrer Begleitung und die Miene des Herzogs wurde mit einem Schlag verschlossen. Das Mädchen, nein, Mädchen konnte man sie beim besten Willen nicht mehr nennen, war das uneleganteste Wesen, das er je gesehen zu haben glaubte. Sie trug eine Robe, die über und über mit Rüschen und Schleifchen beladen war. Das tiefdekolletierte Mieder spannte über dem prallen Busen. Ihre Wangen waren sichtlich gerötet, als sie sich jetzt zu dem Herrn beugte, der sich ebenfalls in ihrer Begleitung befand, um zu hören, was er ihr zuflüsterte. Es mußte etwas Amüsantes gewesen sein, denn die Dame lachte laut auf und schlug ihrem Begleiter mit koketter Gebärde den Fächer auf die Fingerknöchel.
Die Vision vom einfachen, adretten Landkind löste sich in Luft auf, und der Herzog überlegte mit leicht zusammengekniffenen Augen, welchen bösen Streich ihm seine Großmutter da wohl gespielt haben mochte.
Der erschrockene Ausruf eines Bekannten ließ ihn aus den Gedanken auffahren. »Um Gottes willen, Wellbrooks!« hatte dieser gerufen. »Was habe ich denn gesagt, das Sie dermaßen in Wut versetzte? Ich habe Ihre Pferde doch nicht beleidigen wollen, auf mein Wort! Es besteht doch kein Grund, ein derart wildes Gesicht zu machen …«
Der Herzog riet dem Verdutzten ungeduldig, sich keine unnötigen Gedanken zu machen, und ließ ihn stehen.
Während sich die Umstehenden überlegten, welche Laune den Herzog mm wieder anfocht, war dessen einziger Wunsch, der Hitze des Ballsaales zu entkommen und frische Luft zu schöpfen, um mit kühlem Kopf die weiteren Schritte zu überlegen.
Daß er eine derart ordinäre Frau zur Herzogin machen sollte, war für ihn ausgeschlossen. Sie mußte dazu gebrachtwerden, ihn von seinem Versprechen zu entbinden.
Da er die örtlichen Gegebenheiten gut kannte, strebte er entschlossen der Terrasse zu, die über einen schwach erleuchteten Gang, an mehreren Zimmertüren vorbei, unschwer zu erreichen war.
Einige Minuten in der kalten, sternklaren Nacht halfen ihm,seinen gewohnt klaren Kopf zurückzugewinnen, und er kam zu der Erkenntnis, daß es nicht sinnvoll wäre, sich der Dame noch am selben Abend vorzustellen. Es würde das beste sein, sie am kommenden Vormittag im Hause ihrer Tante aufzusuchen.
Mit dem Entschluß, die Veranstaltung umgehend zu verlassen, verließ er die Terrasse und wollte eben den Gang zurückgehen, als er aus einem der angrenzenden Zimmer eine weibliche Stimme vernahm, die eindringlich sagte: »Lassen Sie mich auf der Stelle los, Sir. Bitte, stehen Sie doch auf, … Sir, … so lassen Sie mich doch los!«
Wellbrooks hätte nicht weiter auf das Gehörte geachtet, hätte nicht in diesem Augenblick eine männliche Stimme der Dame geantwortet, die ihn auf der Stelle verharren ließ.
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