Die Braut des Herzogs (German Edition)
Es war ohne Zweifel die Stimme von George Romsey, seinem hoffnungsvollen Erben.
»Meine Liebste!« hörte er ihn sagen, »Sie müssen doch meine Gefühle erraten haben, Sie müssen doch wissen, wie sehr ich Sie liebe. Noch nie in meinem Leben habe ich je eine Frau so verehrt, so begehrt wie Sie …«
Der Herzog lachte düster auf. Ihm war das bewegte Liebesleben seines Erben nur zu gut bekannt. Es war dies nicht das erste Mal, daß dieser sich einbildete, unsterblich verliebt zu sein.
»Seit ich Sie sah, bin ich wie verwandelt«, hörte Wellbrooks ihn sagen. »Ich liebe Siel«
Mit diesen Worten dürfte Romsey aufgestanden sein, und ein unterdrückter Schrei der jungen Dame war zu vernehmen.
Da hielt es der Herzog doch für angebracht einzugreifen. Leise drückte er die Klinke herunter und betrat den kleinen Salon. Der Anblick, der sich ihm bot, war, wie er es erwartet hatte: George war im Begriff, eine junge Dame zu küssen, die sich jedoch vehement gegen diese Gunstbezeugung zur Wehr setzte.
Die Lady war mit dem Rücken zur Tür gestanden. Als George Romsey sie mit einem leisen Fluch unvermittelt losließ, fuhr sie herum, und Wellbrooks konnte feststellen, daß sein Erbe zumindest einen ausgezeichneten Geschmack bewiesen hatte: die junge Dame war wirklich eine attraktive Erscheinung, großgewachsenund schlank, ein elegantes Kleid in einem strahlenden Blau, die locker aufgesteckten Haare waren mit einem Band derselben Farbe gehalten. In diesem Augenblick hob sie den Kopf, und der Herzog blickte überrascht in zwei blitzende blaue Augen.
Für Olivia hatte der Abend nicht gerade verheißungsvoll begonnen. Eigentlich war es schon am späten Nachmittag, als sich das Unheil ankündigte. Sie hatte es sich im kleinen Salon gemütlich gemacht, in einen Roman vertieft, den sie erst kürzlich erstanden hatte, als ihre Tante mit blassem Gesicht ins Zimmer stürzte. Olivia fuhr erschrocken auf und eilte ihrer Tante entgegen, als diese sich matt in den großen Lehnstuhl vor dem Kamin fallen ließ.
»Ich bin weiß Gott keine von diesen erbärmlichen Kreaturen, die bei jeder Unannehmlichkeit in Ohnmacht fallen, aber heute nachmittag auf der Bond Street wäre es mir beinahe passiert!«
Olivia, die aus diesen Worten nicht klug wurde, öffnete die Kommode und entnahm ihr das Riechfläschchen, um es ihrer Tante unter die Nase zu halten. Das schien jedoch nicht die gewünschte Wirkung zu haben, denn Tante Mable blickte sie weiterhin verzweifelt an, bevor sie sagte: »Etwas Schreckliches ist geschehen, meine Liebe. Richmond ist in London!«
Ihre Nichte, die sich im Geiste schon viel entsetzlichere Dinge ausgemalt hatte, atmete erleichtert auf. »Richmond? Ist das nicht der Neffe deines Mannes?«
Mylady nickte. »Ja, und sein Erbe«, sagte sie düster.
Olivia hatte Lord Richmond Darlington nie persönlich kennengelernt, er lebte zurückgezogen auf seinem Landsitz in Kent und weilte nur selten in dem großen Haus in der Brook Street, das er von seinem Onkel vor fünf Jahren übernommen hatte. Aus Erzählungen ihrer Tante, aber auch ihres Vaters, war nichts zu entnehmen, was in Olivia den Wunsch hervorgerufen hätte, Richmond persönlich kennenzulernen. Man sagte ihm eine schlichte Gemütsart, um nicht zu sagen eine gewisse Dummheit nach und außerdem, daß er keinerlei Interesse am gesellschaftlichenLeben habe. Ein Mann, der am liebsten mit ebenso langweiligen Freunden, teilweise auch mit seinen eigenen Pächtern auf die Jagd ging und an seinen Pferden mehr hing als an seinen nächsten Verwandten. Dies machte ihn zwar nicht zu einem Mann, den der verstorbene Lord Darlington gerne zum Erben hatte. Doch hatte er sich damit abfinden müssen, daß seine Gemahlin nur zwei Töchter zur Welt gebracht hatte, bevor die Ärzte Seiner Lordschaft mitteilten, daß Mylady keine weiteren Kinder mehr bekommen dürfe.
»Ich habe mir zeitlebens Vorwürfe gemacht, daß ich Edward keinen Erben schenkte«, hatte Lady Darlington ihrer Nichte einmal anvertraut. »Obwohl er nie ein Wort darüber verlor. Allerdings wäre es halb so schlimm gewesen, wenn Richmond nicht dieses entsetzliche Wesen geheiratet hätte. Die Tochter eines Kaufmanns, muß man sich vorstellen! Sicher, sie hatte eine ansehnliche Mitgift eingebracht, aber dafür ist sie entsetzlich vulgär. Eine Stunde in ihrer Gesellschaft, meine Liebe, und ich bin dermaßen erledigt, daß ich mich unter Krämpfen auf mein Zimmer zurückziehen muß«, hatte Mylady erklärt. »Glücklicherweise
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