Die Braut des Kreuzfahrers
doch er schien nicht dumm zu sein, er hatte einen wachen Blick. Er schleppte ein Buch mit zerschlissenem Ledereinband unter dem Arm und grüßte seinen Herrn mit einer Verbeugung, die Roger reichlich nachlässig vorkam. Überhaupt war die Unterredung zwischen den beiden recht unbefangen. Gottfried erkundigte sich sogar nach dem Wohlergehen der Familie des Verwalters, und als ihm mitgeteilt wurde, dass einige der Abgaben noch nicht eingetroffen seien, blieb er gelassen. Das Buch wurde aufs Pult gelegt und aufgeschlagen. Soweit Roger mit zusammengekniffenen Augen erkennen konnte, wimmelte es dort von Spalten, die Schrift war winzig, als krabbelten in den Spalten unzählige Herbstmücken herum. Einige Fälle wurden durchgesprochen, hier war ein Bauer krank geworden, dort waren die Äcker eines Klosters von Wildschweinen verwüstet worden. Roger schüttelte den Kopf und stopfte sich die letzte Pastete in den Mund, die mit Hühnerfleisch gefüllt war. Bei ihm zu Hause ging es anders zu, krank oder gesund, Glück oder Unglück – Abgaben waren eben Abgaben. Aber das Perche war fruchtbar, und außerdem besaß der Graf einen eigenen Wirtschaftshof, der genug einbrachte.
Als Roger schon hoffte, die Sache sei zu Ende gebracht, trat ein junger Mann in den Raum, der offensichtlich zu dem Verwalter gehörte. Ein hübscher Bursche war das, gut gewachsen und von angenehmem Äußeren. Seine silbernen Sporen bewiesen, dass er ein Knappe war. Ein wenig zu höfisch war er vielleicht, seine Verbeugung war tiefer als die des Verwalters, dafür redete er frei heraus und recht flüssig.
» Was für ein Schönling – braune Augen wie ein Reh « , murmelte einer von Rogers Knappen.
» Und er redet, als klebe ihm eine Honigwabe am Gaumen « , kicherte der andere missgünstig.
» Halt’s Maul « , fuhr Roger ihn mit halblauter Stimme an. » Der wird’s zu etwas bringen, das seh ich ihm an. Das ist keiner, der zwanzig Jahr lang ein Knappe bleiben wird. «
Er fühlte sich so schwer von der reichen Mahlzeit, dass er sich bewegen musste, deshalb stand er auf und trat an eine der Fensternischen. Der Himmel war nur schwach bewölkt und die Sonne inzwischen weiter nach Süden gewandert. Es schien tatsächlich warm zu werden, von den nassen Strohdächern unten in der Siedlung stieg feiner Dampf auf. Ein reiches Land war das, trotz der dichten Wälder, die den größten Teil der Grafschaft bedeckten. Um die Dörfer herum gab es fruchtbare Äcker, dazwischen kleine Hecken und auf den Wiesen weideten Rinder und Schafe. Der Sommer war heiß und sehr trocken gewesen.
» Für heute ist es zu spät. Es wird klüger sein, morgen in aller Frühe auf die Jagd zu reiten « , sagte Gottfried von Perche, der jetzt neben ihn getreten war. » Ich habe einige gute Falken und auch einen Habicht. «
» Und was ist mit Wildschweinen? Bären? «
» Wenn Ihr Mut habt, Roger « , gab Gottfried mit leisem Spott zurück. » Es gibt genug Bären und Luchse in meinen Wäldern. «
Er beugte sich jetzt ein wenig vor und sah in den Burghof hinunter. Dort wimmelten etliche Leute durcheinander, Knechte luden einen Wagen ab, ein paar junge Bürschlein vertrieben sich mit hölzernen Schwertern die Zeit, während die Mägde Tücher und Gewänder zum Trocknen aufhängten. Man sah den Verwalter und seinen Gefährten über den Hof gehen und in einem der Nebengebäude verschwinden.
» Dieser junge Kerl scheint recht anstellig « , bemerkte Roger. » Ist er in Euren Diensten? «
» Ich sah ihn heute zum ersten Mal. Aber da Jean für ihn bürgt, werde ich ihn für eine Weile hier aufnehmen. «
» Ihr tut gut daran – Burschen wie diesen sollte man nicht gehen lassen. «
» Vielleicht … «
Es hörte sich wieder einmal so an, als sei hinter diesem einen Wort allerlei verborgen, über das Gottfried keine Auskunft geben wollte. Zumindest war klar, dass der junge Kerl dem Burgherrn nicht besonders gefallen hatte.
5
D ie Küche war erfüllt vom Duft der frisch geschnittenen Kräuter. Scharleikraut stach hervor mit herbem, scharfem Aroma, und Binsuga verströmte kühle, frische Süße, sodass der sanfte, moosige Geruch des Hermel fast darin unterging. Tiessa band die Blätter zu kleinen Büscheln zusammen, die an der Decke aufgehängt wurden, wo schon ganze Reihen getrockneter Bündel im Luftzug hin und her wehten. Was in der Küche keinen Platz mehr hatte, wurde oben auf dem Dachboden an die Balken gebunden. Darunter standen Tongefäße, in denen Corba die getrockneten
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