Die Braut des Normannen
sie sicher gewesen, daß er einen ängstlichen Eindruck machte.
Er ging nicht einmal auf und ab wie üblich, sondern blieb mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor dem Kamin stehen.
Er wagte nicht, Nichola anzusehen, als er ihr die Neuigkeit beibrachte, weil er fürchtete, daß ihm die Furcht, die er auf ihrem Gesicht erkennen würde, das Herz zerriß.
»Nichola«, begann er ernst. »Wie du weißt, habe ich meinen Männern gestattet, ihre Kräfte bei einem Wettbewerb zu messen. Die besten und geschicktesten sollen mir – das heißt uns – bei dem Turnier des Königs alle Ehre machen.«
Jetzt bekam Nichola wirklich Angst. Sie hatte ihren Mann noch nie so zaghaft und zögerlich wie jetzt erlebt. Sie faltete die Hände in ihrem Schoß, straffte die Schultern und machte sich auf das Kommende gefaßt.
Lange Minuten verstrichen, ehe Royce fortfuhr: »Der Wettbewerb ist zu Ende, und die Männer wissen, wer die Ehre hat, an den Spielen teilzunehmen. Ich kann die Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.«
»Nein, natürlich nicht«, bekräftigte sie.
Er nickte. »Beide Truppen schicken neun Soldaten und einen Befehlshaber ins Feld. Lawrence hat sich mit Leichtigkeit als Anführer der erfahrenen Soldaten qualifiziert.«
Plötzlich beschrieb er bis in alle Einzelheiten Lawrences Geschicklichkeit und Stärke, ehe er auf die Tauben zu sprechen kam. »Neun Rekruten waren besser als alle anderen, aber die Leistungen eines einzigen überragten die der neun bei weitem, und er wird der Anführer der neun sein.«
Nichola vermutete, daß Ingelram sich als besonders kampferfahren und kräftig erwiesen hatte und daß Bryan wohl unter den neun Männern sein würde. Plötzlich wurde ihr bewußt, was Royce solche Sorgen bereitete. Er mußte Justin zurücklassen und hatte Angst, seine Gefühle zu verletzen. Doch Justin würde die Entscheidung akzeptieren – natürlich wäre er in seinem Stolz getroffen, wenn er mitansehen müßte, wie seine Freunde ohne ihn aufbrachen, aber Nichola würde ihm schon klarmachen, daß er Royce für vieles dankbar sein mußte – ebenso wie sie selbst.
Royce kam ein paar Schritte näher, zog Nichola auf die Füße und hielt ihre Hände fest. »Justin hat sich das Recht verdient, die Rekruten anzuführen.« Er machte sich auf eine Tränenflut gefaßt.
Nichola sah ihn entgeistert an und schüttelte den Kopf.
Offenbar glaube sie ihm nicht. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Es ist mein Ernst«, erwiderte er. »Er war der Beste.«
Sie zog ihre Hände zurück und sank wieder auf den Stuhl. Sie ängstigte sich so sehr um ihren Bruder, daß sich ihr Magen verkrampfte – außerdem war sie wütend auf Royce. Wie konnte er so etwas zulassen?
»Ich verstehe das nicht«, hauchte sie. »Justin ist für so etwas noch nicht bereit.«
»O doch, das ist er«, erwiderte Royce. »Er war außergewöhnlich gut bei dem Wettbewerb«, betonte er mit kaum verhohlener Zufriedenheit. »Du solltest stolz auf ihn sein, Nichola. Ich jedenfalls bin es.«
»Ich will nicht, daß er am Turnier teilnimmt«, rief sie aus. »Es ist zu früh, er braucht noch eine gründliche Ausbildung.«
»Nichola, sieh mich an«, forderte er.
Er entdeckte die Tränen in ihren Augen und seufzte. »Hast du Vertrauen zu mir?« fragte er.
Diese Frage verblüffte sie, aber nach kurzem Nachdenken wurde Nichola bewußt, warum er sie gestellt hatte. Alles lief darauf hinaus, oder nicht? Vertrauen war das Allerwichtigste, und entweder sie glaubte an ihren Mann, oder alles war sinnlos.
Royce wartete geduldig, bis Nichola ihre Überlegungen beendete, obwohl es ihn irritierte, daß sie seine Frage nicht sofort beantwortete. Er war sicher, wie ihre Antwort lauten würde, auch wenn ihre Angst sie zögern ließ.
Endlich nickte sie. »Ja, ich habe Vertrauen zu dir.« Sie sah ihren Mann stirnrunzelnd an. »Und jetzt wirst du mir gleich erklären, daß ich an deinen Entscheidungen nicht zweifeln darf, oder nicht?«
Er schenkte ihr ein Lächeln.
Mit einem Mal konnte Nichola nicht mehr stillsitzen. Sie stand genau in dem Augenblick auf, als Royce sich setzte.
»Glaubst du, daß ich, nur weil ich dir vertraue, auch Justin vertrauen muß?«
»Nein.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie an. »Du solltest nur mein Urteilsvermögen nicht anzweifeln.«
Gott, wie sie es haßte, wenn er so sachlich und nüchtern war. Sie redeten über ihren Bruder, nicht über einen Fremden, und deshalb bestimmten ihre Gefühle ihre
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