Die Braut des Normannen
verbergen. »Ich werde niemanden schicken, um Euch holen zu lassen, Normanne. Geht nur. Es ist mir gleichgültig.«
Aber er brachte es nicht fertig, sie in diesem Zustand allein zu lassen. Sie machte einen so einsamen und elenden Eindruck ... und sie wirkte so verletzlich. Verdammt, aus einem unerfindlichen Grund wäre es ihm wesentlich lieber gewesen, wenn sie ihm so stark und voller Zorn begegnet wäre wie auf der Reise hierher.
»Baron?« sagte Lawrence, als sich sein Herr nicht von der Stelle rührte und kein Wort von sich gab.
Royce schüttelte den Kopf. »Nichola?« rief er aus, bevor er die Tür schloß.
»Ja?«
»Ich habe Euch nur eines zu sagen.«
»Und das wäre?« wollte sie wissen.
Er grinste. »Schachmatt.«
Er zog die Tür hinter sich zu, als sie wütend nach Luft schnappte. Royce lachte.
Etwas zerschellte an der Tür. »Was war das?« fragte Lawrence erschrocken.
»Der Wasserkrug, denke ich. Jetzt ist ihr bestimmt leichter ums Herz.«
Und Royce fühlte sich auch besser.
Nicholas Wut hielt beinah den ganzen Tag an. Am frühen Abend kamen zwei Frauen in ihr Zimmer, beide waren Angelsächsinnen, und dieser Umstand überraschte Nichola. Eine brachte saubere Kleidung mit, und die andere hatte Leinentücher dabei. Nichola stellte sich ans Fenster, während die Dienerinnen einen Holzzuber ins Zimmer stellten und mit heißem, dampfenden Wasser füllten.
Die Aussicht auf ein Bad verlockte Nichola zu sehr, und sie vergaß ihren Trotz für eine Weile. Sie ließ sich in das nach Rosen duftende Wasser sinken, wusch ihr Haar und schrubbte sich, bis sie sich richtig sauber fühlte.
Sie sprach mit keiner der beiden Frauen, ehe sich eine erbot, ihr das Haar zu bürsten. »Warum dient ihr beide dem normannischen König?« erkundigte sich Nichola.
»Er ist jetzt auch der König von England«, antwortete die Dienerin namens Mary. »Jedermann dient ihm«.
Dem konnte Nichola beileibe nicht zustimmen, aber sie hielt es für unfreundlich, der Magd zu widersprechen. Mary hatte ein Recht auf eine eigene Meinung, auch wenn sie falsch war.
Mary, die ungefähr im gleichen Alter wie Nichola war, hatte eine mollige Figur, hellrotes Haar, und ihr Gesicht war über und über mit Sommersprossen bedeckt. Die andere Dienerin, Heloise, war weit älter und ziemlich schroff und unfreundlich.
»Ich werde William niemals dienen«, verkündete Nichola, während sie sich auf den Stuhl, den Mary für sie bereit gestellt hatte, setzte und die Hände im Schoß faltete.
Mary nahm die Bürste zur Hand und begann ihre Arbeit. »Durch solche Reden könnt Ihr Euch in arge Schwierigkeiten bringen, Mylady«, flüsterte sie.
Heloise spannte frische Laken über das große Bett. »Mary sagt die Wahrheit«, bekräftigte sie mit einem mürrischen Nicken. »Diejenigen, die ihr Knie nicht vor König William beugen, sind des Todes. Schon ein Dutzend angelsächsische Soldaten warten auf ihre Hinrichtung.«
»Wo sind diese angelsächsischen Soldaten jetzt?« erkundigte sich Nichola.
»Sie sind hier, zwei Stockwerke unter uns«, raunte Mary.
»Gott sei ihren Seelen gnädig, wenn sie schon so halsstarrig sein müssen«, murmelte Heloise. »Jeder von ihnen hatte Gelegenheit, dem König Treue zu schwören, aber sie haben sich geweigert.«
Ein Holzscheit im Kamin knackte, und Mary und Nichola zuckten erschrocken zusammen. »Alles hat sich in der letzten Zeit geändert«, seufzte Nichola.
»Alles hat jetzt seine Ordnung«, warf Heloise ein. »Der König hat nur zwei kurze Monate gebraucht, um die meisten Aufständischen niederzuschlagen. Dieser Mensch regiert mit eiserner Hand, und alle wissen jetzt, wie sie dran sind, und haben ihren Platz.«
»Alle, außer den Angelsachsen«, meinte Nichola.
»Nein, auch die Angelsachsen haben ihren Platz«, widersprach Mary. »Und aus diesem Grund sollt Ihr ja auch die Braut eines Normannen werden, Mylady. Je mehr Hochzeiten zwischen den beiden Völkern stattfinden, desto sicherer ist der Frieden in Zukunft.«
Nichola hörte sich schweigend an, was die beiden Frauen über all die Dinge zu sagen hatten, die anders geworden waren. Das Abendessen, das man ihr brachte, rührte sie nicht an, dafür ging sie früh zu Bett. Sie mußte unaufhörlich an die zwölf Soldaten denken, die auf ihre Hinrichtung warteten, und sie empfand grenzenloses Mitleid mit den Männern und den Familien, die sie hinterlassen würden. Ihr war klar, daß ihr Bruder Thurston sehr gut einer dieser zwölf hätte sein können, und bei
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