Die Braut des Normannen
jungen Ingelram.
»Das ist Lady Nichola« stellte Royce sie vor.
Lawrence löste den erstaunten Blick von ihr und verbeugte sich tief. »Es ist mir ein großes Vergnügen, Euch kennenzulernen, Mylady.«
Sie erwiderte seine Höflichkeit mit einem Knicks.
»Ich bin schon sehr gespannt, etwas über Eure Abenteuer zu erfahren«, sagte Lawrence.
»Über welche Abenteuer?« erkundigte sie sich.
»Na ja, zunächst wäre ich neugierig, wie Ihr zu all den blauen Flecken und Schrammen gekommen seid. Ihr seht aus, als wäret Ihr eben noch auf dem Schlachtfeld gewesen«, ergänzte er mit einem freundlichen Lächeln. »Sicher verbirgt sich dahinter eine interessante Geschichte.«
»Sie hat eine ausgesprochene Neigung, Unfälle zu provozieren«, erklärte Royce gedehnt.
Nichola bedachte ihn mit einem zornigen Blick, ehe sie sich wieder Lawrence zuwandte. »Ich werde mich nicht lange genug in London aufhalten, um Euch irgendwelche Geschichten erzählen zu können.«
Als er plötzlich seinen Griff verstärkte, wurde ihr bewußt, daß Royce noch immer ihr Handgelenk festhielt. Lawrence bemerkte, daß der Baron sie anfunkelte, aber ihm war nicht klar, was das alles zu bedeuten hatte. »Werdet Ihr so bald schon wieder abreisen, Mylady?«
»Nein«, schaltete sich Royce ein.
»Ja«, behauptete sie beinah gleichzeitig.
Lawrence grinste. »Baron, das Gerücht, daß wir noch vor Ende der Woche in die Normandie zurückkehren, macht die Runde.«
»Darüber sprechen wir später«, entgegnete Royce mit einem bedeutungsvollen Blick auf Nichola.
Sein Gefolgsmann nickte. Ihm war die leidende Miene der schönen Frau nicht entgangen, und er schloß daraus, daß sie müde von der beschwerlichen Reise war.
»Der König wird Dienerinnen zu Euch schicken, die sich um Euer Wohlergehen kümmern, Lady Nichola«, kündigte er ihr an.
»Und Soldaten, die aufpassen, daß ich nicht die Flucht ergreife?« fragte sie.
Lawrence zuckte bei dieser giftigen Bemerkung zurück. »Ihr seid keine Gefangene«, erwiderte er und sah Royce verwirrt an. »Was meint Ihr, Baron?«
Royce nickte. »Sie ist eine Gefangene, bis sie sich in ihr Schicksal fügt«, erklärte er.
»William ist auch Euer König«, machte Lawrence Nichola wohlwollend klar.
»Nein, das ist er nicht.«
»Lawrence, es ist vollkommen zwecklos, mit ihr zu streiten.«
Royce ließ ihr Handgelenk los und schubste sie vorwärts. Sie betrat ihr Zimmer, und Royce und Lawrence folgten dicht hinter ihr.
»Ich werde fliehen«, brüstete sie sich und strebte dem Fenster zu.
Royce wußte genau, was ihr durch den Kopf ging. »Ihr werdet Euch den Hals brechen, wenn Ihr da hinaus springt, Nichola.«
Sie drehte sich mit einem bezaubernden Lächeln zu ihm um. »Und würde Euch das etwas ausmachen, Baron?«
Er wich einer eindeutigen Antwort aus. »Eurem Ulric würde es etwas ausmachen, wenn er alt genug ist, alles zu verstehen. Denkt an ihn und an Justin, bevor Ihr eine Dummheit begeht. Ihr werdet Eurer Familie ebenso viel Kummer bereiten wie Euch selbst.« Er machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen und die Tür hinter sich und Lawrence zu schließen.
»Wartet!« rief sie verzweifelt.
Royce hielt inne und sah sie an. »Ja?«
Sie ging einen Schritt auf ihn zu. »Ist das alles? Wollt Ihr mich so ohne weiteres verlassen?«
»Ihr habt Euch doch die ganze Zeit nichts sehnlicher gewünscht, oder nicht?«
»Doch.«
Er wandte sich wieder ab.
»Mehr habt Ihr mir nicht zu sagen?« erkundigte sie sich.
Royce seufzte abgrundtief. »Was wollt Ihr denn hören?«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie rang verzweifelt die Hände.
Royce konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was plötzlich über sie gekommen war. »Was, in Gottes Namen, ist los mit Euch?« fragte er verwirrt.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Gar nichts ist mit mir los. Ich bin froh, Euch nicht mehr sehen zu müssen. Ihr seid ein unerträglicher, grober Mensch.« Eine Träne lief ihr über die Wange, und sie wischte sie mit dem Handrücken fort.
Zur Hölle, sie tat beinah so, als würde er sie im Stich lassen, und, um Himmels willen, er kam sich auch schon wie ein Schuft vor. »Ich breche nicht in die Normandie auf«, eröffnete er ihr schließlich. »Wenn Ihr mich braucht, schickt mir einen der Soldaten mit einer Nachricht.«
Sie atmete sichtlich auf, und sie wirkte nicht mehr ganz so verängstigt, obwohl sie den Tränenstrom nicht mehr aufhalten konnte. Sie drehte ihm den Rücken zu, um ihren Ausbruch zu
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