Die Braut des Piraten
Zügellosigkeit.
Godfreys Stimme bebte vor Triumph, als er seine Geschichte wob. Während er sprach, kamen ihm die Ideen, die Details, halt einfach alles völlig überzeugend vor.
»Ich erkannte ihn. Gestern, an der Tafel des Königs. Ich beobachtete ihn und erkannte ihn an seinem Blick. Ich wusste es sofort. Heute ging ich in den Anker, um zu sehen, ob ich etwas in Erfahrung bringen konnte. Er war mit George im Hinterzimmer. Ich hörte seine Stimme so deutlich wie Eure. Es waren Caxtons Stimme und Ton, wenn er auch nicht mit dem Inselakzent sprach, den er benutzte, wenn er den Schmuggler spielte.«
»Wenn ich mich recht erinnere, sagtet Ihr, dass Eure Leute Caxtons Hintergrund überprüften.« Rufus sah Cato an.
»Ja. Ihn und alle anderen, die die Nähe des Königs suchen. Wie gesagt, konnten sie nichts finden, was Anlass zu Argwohn gegeben hätte. Er wohnt in Newport, wenn er sich auf der Insel aufhält.«
»Vielleicht würde sich eine weitere Überprüfung lohnen«, schlug Rufus nüchtern vor.
Cato nickte. »Ich werde Giles auf ihn ansetzen. Wenn jemand die Wahrheit herausfindet, dann er. Caxtons Wirtin in Newport macht wahrscheinlich wie alle auf der Insel gemeinsame Sache mit den Verrätern.«
»Aber was ist mit Caxton?« Godfrey beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Werdet Ihr ihn jetzt festnehmen?«
»Noch nicht«, antwortete Cato. »Ehe wir gegen ihn vorgehen, müssen wir mehr über ihn in der Hand haben.«
In Godfreys Ohren klang das nicht gut, doch musste er sich zufrieden geben. »Kann ich noch etwas für Euch tun, Mylords?«
»Haltet nur wie bislang Augen und Ohren offen«, sagte Cato und nickte ihm beifällig zu.
Godfrey verbeugte sich und zog sich zurück.
Olivia hörte den Lärm der Kinder, die von ihrem Ausritt mit Portia zurückkehrten. Es war das übliche Decatur-Geschnatter. Alle redeten durcheinander und schienen einander doch perfekt zu verstehen. Sie lehnte den Kopf an die Sessellehne und versuchte sich aufzuraffen und hinunterzugehen, ganz normal zu sein. Es erschien ihr unmöglich.
Würde Godfrey Channing melden, was er auf der Auffahrt beobachtet hatte? Würde ihr Vater Fragen über Anthony stellen? Sie konnte nichts von Brian sagen, ohne zu offenbaren, was sie unmöglich preisgeben konnte … aber wenn Brian am Leben und auf der Insel war, so musste ihr Vater es unbedingt erfahren. Alles war so kompliziert, so konfus. Was mit traumhafter Verzauberung begann, war zu einem Gewebe aus Halbwahrheiten, ganzen Lügen und einem Sumpf gefährlicher Gefühle geworden.
Wenn sie nur niemals von der Klippe gestürzt wäre … nie dem Piraten begegnet wäre. Und doch wusste Olivia, dass sie sich das niemals wünschen konnte.
Ermattet stand sie auf. Es war kurz vor sechs. Abendbrotzeit. Sie hörte aus der Halle die Stimme ihres Vaters, der mit Rufus .sprach. Sie konnte sich nicht den ganzen Abend in ihrem Zimmer verkriechen, auch wenn es verlockend wäre. Sie musste feststellen, ob Godfrey etwas zu ihrem Vater gesagt hatte.
Olivia verließ ihr Gemach. Jetzt hörte sie die Stimmen in der Halle deutlicher. Wie die Zeiten sich geändert hatten! Rufus Decatur würde an Cato Granvilles Tafel speisen. Er war zwar nicht bereit, unter dessen Dach zu nächtigen, wiewohl er es seiner Familie gern gestattete, doch würde er das Brot mit ihm brechen. Sieben Jahre zuvor hätte er Cato so leidenschaftlich getötet wie umgekehrt. In diesem Krieg aber standen sie gemeinsam auf einer Seite, und ihre Frauen hatten sie gezwungen, das Gute im anderen anzuerkennen. Freunde waren sie zwar nicht, doch begegneten sie einander mit Hochachtung.
Giles Crampton und Portia befanden sich mit Cato und Rufus in der Halle, als Olivia langsam herunterkam.
»Giles, ich würde mit der Zimmerwirtin in Newport beginnen«, sagte Cato gerade. »Sieh zu, ob du unter Drohungen etwas aus ihr herausbekommst. Sie muss etwas wissen. Die ganze verdammte Insel weiß etwas, das wir nicht wissen. Wir wollen versuchen, die Verschwörer dingfest zu machen und möglichst viele ins Netz zu ziehen. Und zerbrich dir nicht den Kopf über den Wert der Beweise. Wenn unser Mann sieht, dass seine Freunde bedroht werden, wird er vielleicht einen voreiligen Schritt tun. Und dann können wir …« Er verstummte, als er Olivia auf der Treppe entdeckte.
»Ach, da bist du ja. Weißt du, wo Phoebe ist?«
Olivia brauchte eine Sekunde, um zu antworten. Die Begrüßung ihres Vaters verriet nichts, doch die drei Menschen hatten eine Andeutung grimmiger
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