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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Ankerplatz.«
    Er rieb Feuerstein an Zunder und zündete die Öllampe über dem Bett an. »Ich muss die Fäden aus deinem Bein ziehen. Ich würde es deinem Arzt überlassen, doch die Bauernfamilie, die dich in den letzten Tagen angeblich pflegte, verfügt nicht über das Geschick, Wunden zu nähen, oder über das Geld, einen Arzt zu bezahlen. Es würde lästige Fragen geben.«
    »Mir erscheint es unlogisch, dass du mir zutraust, über die Geschehnisse auf diesem Schiff Lügen zu erzählen, und dennoch beharrlich deinen Ankerplatz vor mir geheim hältst.«
    Anthony hatte das hölzerne Kästchen aus dem Wandschrank geholt und sagte gleichmütig: »Ich baue auf deinen Selbsterhaltungstrieb. Magst du auch unbekümmert um deinen Ruf sein, kann ich mir nicht denken, dass du den Skandal riskierst, den es gäbe, würde die Wahrheit über dein Verschwinden bekannt. Solltest du dich entschließen, die Wahrheit preiszugeben, kann dein Wissen mir nicht schaden, solange du nicht auch weißt, wo du mich und mein Schiff finden kannst.«
    Olivia hatte das Gefühl, nichts mehr ändern zu können, selbst wenn sie ihm hätte erklären können, warum sich zwischen ihnen diese Kluft aufgetan hatte. Diesem Mann waren Vergebung und Mitgefühl fremd. Sie hatte ihn gekränkt, und das reichte. Aber wie hatte sie sich in ihm so irren können? Wenn sie ehrlich war, wusste sie freilich, dass er in Bezug auf sie ähnlich empfinden musste. Sie hatte ihm eine Frau gezeigt, die es nicht gab, eine, die sich der Verzauberung und Leidenschaft hingeben konnte. Sie hatte ihn ebenso getäuscht.
    »Komm.« Er öffnete das Kästchen und holte eine schmale Schere hervor. »Es geht ganz rasch.«
    Olivia hob ihren Rock und Unterrock und diesmal gab es keine unterdrückte Erregung, keine Vorahnung gefährlicher Lust. Es war eine nüchterne, rasch erledigte Angelegenheit.
    Er ließ das Kästchen zuschnappen. »Adam bleibt bei dir, damit du nicht in Versuchung gerätst, die Vorhänge zurückzuziehen.«
    »Ich brauche keinen Bewacher«, protestierte Olivia. »Wenn du es nicht möchtest, werde ich nicht hinausschauen.«
    Er hielt an der Tür inne. »Wie kannst du erwarten, dass ich dir Vertrauen schenke, wenn du
mir
nicht vertraust?«
    Darauf wusste sie keine Antwort und drehte ihm kopfschüttelnd den Rücken.
    Adam trat mit einem großen Korb voller Flickwäsche ein. Er setzte sich gleichmütig ans Fenster und machte sich an die Arbeit. Nach einer Weile widmete Olivia sich wieder den Seekarten und studierte sie.
    Langsam die Küste entlangsegelnd hielt die
Wind Dancer
sich dicht unterhalb der Klippenwände in einer tiefen Fahrrinne, die nur einheimischen Seeleuten bekannt war. In der Abenddämmerung passierten sie St. Catherine's Point. Als die Sonne tief hinter dem Horizont versank, glitt das Schiff mit minimaler Takelung an kleinen einsamen Buchten vorüber. Und dann verschwand es in der Klippenwand.
    Olivia spürte, wie die Bewegung aufhörte, und hörte das Rasseln der Ankerkette. Adam hatte die Öllampe mehrmals während der Stunden, die sie in der Kabine eingeschlossen waren, nachgefüllt. Er hatte sich nicht gesprächig gezeigt, und Olivia war auch nicht nach Reden zu Mute. Sie vertiefte sich in die Karten, bis sie sie so lesen konnte wie ein erfahrener Seemann.
    »Ich denke, wir gehen jetzt an Deck.« Adam brach das lange Schweigen und legte seine Stopfarbeit beiseite.
    Olivia folgte ihm an Deck. Es war stockfinster. Man sah nur ein schmales Stückchen Himmel mit einem nadelstichgroßen Stern. Fast war es, als befände man sich in einer Höhle. Die Nachtluft war warm und unbewegt. Ganz anders als die kühle Frische der offenen See. Doch die Luft war noch immer angenehm, es roch nach Strandlichtnelken, nach dem sonnenwarmen Gras der Klippenhöhen, nach Geißblatt und Klee. Sie hatten noch nicht angelegt, doch war das Land sehr nahe.
    »Bist du bereit?« Der Herr der
Wind Dancer
stand neben ihr, und sie drehte den Kopf und begegnete dem ruhigen Blick seiner tief liegenden grauen Augen.
    Eine Woge der Traurigkeit, der Reue, der Sehnsucht nach dem, was hätte sein können, erfasste sie. »Verzeih mir«, entfuhr es ihr unwillkürlich.
    »Was denn?«
    Das klang so kalt, so unnachgiebig. Wortlos schüttelte sie den Kopf.
    »Kannst du über die Reling klettern?«
    »Ja.«
    »Das Boot wartet unten. Leider muss man dir die Augen verbinden, bis die Küste erreicht ist.«
    Olivia gab keine Antwort. Welche Rolle spielte das jetzt noch? Sie trat an die Reling und

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