Die Braut des Piraten
Blick, und ihr Körper beruhigte sich in seinen Armen. Anthony lockerte seinen Griff, spürte, wie sie sich ergab und lächelte reumütig in ihr verwirrtes Gesicht.
Olivia sah ihn nur an. Ihre noch immer aufgerissenen Augen ließen in den dunklen Tiefen Spuren von Angst erkennen.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er und strich ihr eine Locke aus der Stirn. »Du musst sehr tief geschlafen haben. Ich wollte dir nur Lust bereiten.«
Instinktiv griff Olivia nach der Decke und zog sie bis zur Taille hoch. Sie verschränkte die Arme über der Brust, als ein Schauer sie überlief. »Ich dachte … ich dachte …«
»Was dachtest du?« Er liebkoste die Wölbung ihrer Wange.
Sie schüttelte den Kopf. »Es war nur ein Albtraum. Aber er erschien mir so wahr.«
Sanft nahm er ihre Hände und zog sie von ihrem Körper fort. »Wie schrecklich, Gegenstand eines Albtraumes zu sein.« Er lächelte noch immer bedauernd und sah sie fragend an.
Olivia wandte ihren Blick ab. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Was um alles auf der Welt machst du hier? Mein Vater ist im Haus.«
»Er weiß nicht, dass ich hier bin.« Anthony fasste nach ihrem Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. »Küss mich, damit du weißt, dass ich nicht Ausgeburt eines Traumes bin.«
»Nein!« Olivia entzog sich seinem Griff. »Du k-kannst nicht einfach hier eindringen … durch mein Fenster … wie Romeo … und erwarten, dass ich mich in Julia verwandle.«
»Ich dachte, Romeo sei nur bis zum Balkon gelangt«, bemerkte Anthony. Doch er rückte von ihr ab und legte die Hände resigniert auf seine Knie.
»Wie Romeo siehst du allerdings auch nicht aus«, stellte Olivia treffend fest. »Warum bist du so gekleidet? Hast du Farbe im Gesicht?«
»Ich hatte geschäftlich zu tun und keine Zeit, die Farbe abzuwischen.«
»Aber
was
bist du?«, wollte sie wissen.
»Pirat… Schmuggler …«Er lachte leichthin.
»Und ein Mann, der im Empfangssalon des Königs auftaucht und einen geckenhaften Einfaltspinsel mimt. Und sieh dich jetzt an …« Sie ließ eine entsprechende Geste folgen. »Was stellst du jetzt dar?«
»Einen Fischer.«
»Einen Fischer?« Olivia starrte ihn verdutzt an. »Wie viele Menschen bist du, Anthony … oder heißt du Edward?«
»Mag es auch kaum glaublich sein, nur einer«, griente er. »Und Anthony muss dir genügen. Aber jetzt ist mir danach, den Arzt zu spielen.« Er griff nach der Decke und entzog sie ihr. »Dreh dich um und lass mich dein Bein sehen.«
»Es ist gut verheilt«, sagte sie und fasste wieder nach der Decke. »Phoebe hat die Wunde begutachtet.«
»Dennoch möchte ich den Fortschritt meines Werkes selbst inspizieren.« Seine Augen verdunkelten sich, und er legte seine kühlen und kraftvollen Hände auf die ihren, die die Decke umklammert hielten. »Warum bist du nach allem, was zwischen uns war, so schüchtern, Olivia?«
Sie gab keine Antwort und wiederholte leise: »Warum bist du g-gekommen?«
»Um deine Wunde anzusehen und dir dies zurückzugeben.« Er ließ ihre Hände los. Aus seinem Blick sprach unverkennbare Enttäuschung, und er gab ihr das Buch.
»Du hast deinen Aischylos auf dem Schiff vergessen.«
»Ach.« Es war das Buch, in dem sie gelesen hatte, als sie über den Klippenrand stürzte. Sie schlug es auf, und das zusammengefaltete Blatt fiel heraus, mit der Seite, die den Plan zeigte, nach oben. »Wer hat das gezeichnet?«
»Mike. Ich wollte sicher sein, das richtige Fenster zu finden.«
»Müßig drehte Olivia den Plan um – und versteinerte. »Das bin ja ich! Du hast mich im Schlaf gezeichnet! Wie k-konntest du nur?!«
»Weil es unwiderstehlich war«, gestand er. »Meine Leidenschaft für Anatomie kennst du ja.«
»Du bist abscheulich!«, erklärte Olivia. »Du spionierst hinter anderen her und schleichst dich an sie an.
Abscheulich!«
Anthony beschränkte sich auf das Hochziehen einer Braue. Er stand auf und fing an, leise pfeifend im Raum auf und ab zu gehen. Mit schräg gelegtem Kopf begutachtete er die Bilder an den Wänden, fuhr mit der Fingerspitze über die Rücken der Bücher auf dem Regal, griff nach ihrer Haarbürste mit dem Elfenbeingriff und dem kleinen, mit Perlen besetzten Handspiegel.
»Allmächtiger, ich hatte momentan vergessen, dass ich noch Farbe im Gesicht habe. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich deinen Waschlappen benutze?«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, machte er sich mit Seife, Waschlappen und Wasser an die Arbeit und rieb das Rouge von seinen Wangen. »So,^ das ist
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