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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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13
    Anthony erhob sich vor Morgengrauen und ließ Olivia schlafen. Er zog sich an und ging auf Deck, wo Adam ihn mit Seife und heißem Wasser erwartete.
    »Wie geht's dem Mädel?« Adam reichte ihm das Rasiermesser.
    »Sie schläft. Hoffentlich schläft sie ihren Rausch aus.« Er bückte sich zu dem kleinen Spiegel, den Adam für ihn hochhielt. »Ich hätte sie wohl am Trinken hindern sollen. Aber sie ist ja kein Kind. Diese Lektion müssen wir alle einmal lernen.«
    »Aber nicht Lord Granvilles Tochter«, stellte Adam mit unüberhörbarer Missbilligung fest.
    Anthony rasierte sich sorgfältig über der Oberlippe, dann legte er das Messer aus der Hand und griff nach dem Handtuch, das Adam ihm hinhielt. »Sie weiß genau, was sie tut.«
    »Ja, das ist ja so Besorgnis erregend«, knurrte Adam. »Du hast ein Stück ausgelassen, da, unterm Kinn.«
    Anthony tauchte das Rasiermesser wieder ins heiße Wasser und widmete sich erneut seiner Rasur. Von Jugend auf hatte er gelernt, dass es keinen Sinn hatte, sich mit Adam in eine Debatte einzulassen.
    Mit Sonnenaufgang kamen die Käufer und versammelten sich im Frachtraum. Alle wussten, dass es sich um Schmuggelgut handelte, doch interessierte die Herkunft niemanden.
    Olivia hörte das Rumoren, als sie mit trockenem Mund und klopfendem Herzen daliegend verzweifelt den Schlaf herbeisehnte, der nicht kommen wollte. Sie hörte das Scharren der Boote am Schiffsrumpf, die Schritte an Deck, die Stimmen, das Kommen und Gehen auf dem Niedergang. Sie konnte nicht hören, was im Frachtraum vorging, konnte es sich aber denken.
    Ein Wrackräuber.
    Er hatte es gesagt, so beiläufig, als sei es die natürlichste Sache der Welt und als wüsste sie es ohnehin. Sie wusste, dass er Schmuggler und Pirat war, was war also natürlicher, als dass er hin und wieder ein wenig Wrackraub betrieb?
    Wandte sie den Kopf, dann sah sie das Kleid, die Schuhe, die Strümpfe, die sie in den zauberhaften Stunden des letzten Abends getragen hatte. Wem hatten sie gehört? Welche Frau, die bei St. Catherine's Point den Tod an den Felsen fand, war stolz auf dieses grüne Kleid gewesen, welche auf die Strümpfe und Slipper aus Seide?
    Wieder meldete sich Übelkeit, und Olivia kämpfte sich über die hohen Seitenwände des Bettes und durch die Kabine, um sich vergebens über die Waschschüssel zu beugen. Noch nie war ihr so übel gewesen, noch nie hatte sie jeden Puls und jedes Gelenk in ihrem Körper so schmerzhaft gespürt. Und sie fühlte sich jeglicher Hoffnung beraubt, jeglichen Glücksgefühls, sogar der normalen Erwartung kleiner, alltäglicher Freuden. Der Pendelschlag der Verzauberung hatte sie hoch hinauf geschwungen, jetzt riss er sie ebenso jäh in die Tiefe des Elends.
    Aber so hatte sie sich schon sehr oft gefühlt. Während ihrer gesamten Kindheit. War sie eben noch glücklich und zufrieden, in Bücher oder Spiele vertieft, passierte es im nächsten Moment. Eine große schwarze Wolke kam aus dem Nichts, und dahin waren Glück und Zufriedenheit. Sie hatte nicht gewusst, woher sie kam, hatte sie nicht mit den schrecklichen Minuten in den Händen Brians in Verbindung gebracht, nun aber wusste sie es. Aber diesmal war die schwarze Wolke Anthonys Werk.
    Sie kroch zurück ins Bett und zog sich die Decken über den Kopf. Ihr Elend war ihre eigene Schuld. Nachdem Brian sie berührt hatte, war bei ihr immer das Gefühl spürbar gewesen, es sei irgendwie ihre Schuld. Und jetzt empfand sie dasselbe dumme Schuldbewusstsein. Sie war eine naive Törin gewesen, als sie sich von Anthony bezaubern ließ, als sie ihn herausforderte, sie zu bezaubern, so wie sie einst geglaubt hatte, Brians Missbrauch herausgefordert zu haben. Geglaubt hatte, es wäre nicht geschehen, wenn sie sich anders verhalten hätte.
    Es war spät am Morgen, als Anthony die Kabine betrat. Er trat leise ein und betrachtete die reglose Gestalt im Bett. Er zögerte und fragte sich, ob er nachsehen sollte, ob sie wach war, dann aber folgte er der Gewohnheit, die er angenommen hatte, als Olivia nach dem von ihm verabreichten Schlaftrunk schlief, und setzte sich hin, um nachzurechnen, was die Auktion eingebracht hatte. Alles in allem war es gut gelaufen. Er hatte Godfrey Channing achthundert bezahlt, insgesamt aber siebzehnhundert eingenommen. Genug, um Ellen eine Freude zu machen. Ob es freilich reichte, um ihm den bitteren Nachgeschmack zu versüßen, der sich nach dem Geschäft mit diesem feinen Herrn eingestellt hatte, war eine andere Sache.
    Olivia

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