Die Braut des Ritters
dies reichen musste. Seine Hände zwiebelten, in seinem Schädel hämmerte es, und er hatte schlicht keine Geduld, mühsam nach unbeschädigten Sachen zu suchen. Bei der erstbesten Bewegung würde sie aber nur aufplatzen, weil sie ihm zu klein war. Er würde einfach darauf drängen, dass sie sich umgehend auf den Heimweg begaben. Paen machte sich nichts aus Mode und besaß für gewöhnlich nicht mehr als zwei Garnituren an Kleidung. Er trug die eine, während die andere gewaschen wurde. Sein Bruder Adam hingegen, der ebenso groß und kräftig wie Paen gewesen war, hatte Wert auf ein elegantes Auftreten gelegt. In Adams Kammer auf Gerville Castle fand sich gewiss noch das eine oder andere Stück, das er anziehen konnte. Bis Paen wieder zu Hause war, würde er eben so zurechtkommen müssen.
Er bezweifelte, dass seine Mutter erfreut darüber sein würde, sofort wieder abreisen zu müssen. Sie hatten beabsichtigt, sich ein paar Tage hier auszuruhen, damit Avelyn sie alle besser kennenlernen konnte, ehe sie aufbrachen. Der Einfall stammte von seiner Mutter. Paen wusste nicht recht, was sie zu diesem bewogen hatte. Für ein besseres Kennenlernen hatte Avelyn schließlich ein Leben lang Zeit. Aber seine Mutter hatte darauf bestanden, und sein Vater und er hatten ihr zuliebe zugestimmt. Nun jedoch kam seine Zwangslage ihren Plänen in die Quere. Oder vielmehr meinen Plänen, dachte Paen, während er seinem Vater auf den Gang hinaus folgte. Seine Eltern konnten ja noch bleiben, wenn sie wollten, aber Paen und seine Gemahlin würden aufbrechen, sobald er etwas gegessen hatte. Sie würden seinen neuen Knappen einsammeln und ...
„Oh, da ist deine Mutter.“
Paen schaute den Gang entlang, nachdem er mithilfe seines Vaters in seine Sachen gestiegen war und sie beide den Raum verlassen hatten. Er sah seine Mutter im Gespräch mit Lord und Lady Straughton.
„Geh schon nach unten, wir kommen gleich nach“, sagte sein Vater.
Paen nickte und ging weiter zur Treppe, während sein Vater sich zu der Dreiergruppe gesellte.
Als Paen die große Halle betrat, sah er zunächst Avelyn, die an der Tafel saß. Sie war nicht allein. Ihre Cousins und ihre Cousine waren bei ihr, und nach Avelyns bedrückter Miene zu urteilen, war die Bande wieder einmal gemein gewesen. Unwillkürlich griff Paen zum Schwert - und verzog das Gesicht, als seine bandagierte Hand gegen das Heft stieß. Er konnte seine Waffe nicht benutzen.
Derart machtlos blieb ihm nichts, als die Tunichtgute wütend anzufunkeln, während er auf sie zustapfte. Zum Glück waren die drei so feige, dass sie von der Tafel flohen, auch ohne dass er seine Gereiztheit mit dem Schwert untermalen musste. Er brummte zufrieden und ließ sich neben seiner Frau auf der Bank nieder. Überrascht sah Avelyn ihn an.
„Mylord, Ihr seid schon auf.“
Paen erwiderte darauf nichts und wahrte - seiner Meinung nach zumindest - große Zurückhaltung, indem er sie nicht dafür schalt, dass sie allein nach unten gegangen war und ihn sich selbst überlassen hatte. Stattdessen fragte er: „Was haben Eure Verwandten gesagt, dass Ihr so unglücklich dreinschaut?“
Sie errötete peinlich berührt, wandte den Blick ab und starrte auf den Becher Met vor sich. „Nichts, das es wert wäre, wiederholt zu werden, Mylord. Ich habe es längst vergessen.“ Sie räusperte sich und fügte fröhlich an: „Seid Ihr hungrig, mein Herr Gemahl? Sollen wir gemeinsam speisen?“
Paen war sicher, dass sie log. Er überlegte, ob er ihr auseinandersetzen sollte, dass eine Gemahlin ihren Mann niemals beschwindelte, nicht einmal, wenn es um Nichtigkeiten ging wie die rüden Worte irgendwelcher Vettern und Basen. Doch ihr strahlendes Lächeln blendete ihn, und das mit sanfter Stimme geäußerte „mein Herr Gemahl“ war Musik in seinen Ohren. Als sie ihm ein Stück Brot reichte, vergaß er seinen Ingrimm. Er griff nach dem Brot, hielt aber inne, als der dick verbundene Stumpen zwischen ihm und Avelyn erschien und sich als nutzlos erwies.
Paen seufzte tief, ließ die Hand wieder sinken und wandte sich dem Tisch zu. Plötzlich war er derjenige, der peinlich berührt war.
Avelyn erkannte seine Notlage. „Ich könnte Euch füttern, Mylord“, schlug sie behutsam vor.
„Ich habe keinen Hunger“, täuschte Paen vor. Seine Stimme klang schroff. Er würde sich nicht der Schmach aussetzen, sich von seiner ihm frisch angetrauten Gemahlin wie ein Kleinkind füttern zu lassen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Avelyn ihn
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