Die Braut des Satyrs
peinigte ihn. Aber zum ersten Mal in seinem Leben bezog sie sich einzig auf eine bestimmte Frau. Und es war nicht Sibelas Körper, nach dem er sich verzehrte.
Eine Vereinigung mit Feydons Meereskind mochte entschuldbar sein, aber falls er den Fehler beging, sich erneut mit ihr zu paaren, wäre sein Schicksal besiegelt. Zudem war es ihm unmöglich, sich mit einer anderen zu vereinen, nachdem er Juliette gefunden hatte. Er machte sich keineswegs vor, tiefe Gefühle für sie zu hegen. Allerdings war er auf eine Weise von ihr verzaubert, wie er es noch bei keiner Frau bisher erlebt hatte. Und ihn erfüllte eine beinahe knabenhafte Vorfreude auf den morgigen Tag.
Sibela nähme die veränderten Umstände gewiss nicht gut auf. Sie würde eine Erklärung verlangen, und Lyon hielt es für überaus unklug, zu erwähnen, dass er die letzte halbe Stunde in den Armen ihrer Schwester verbracht hatte. Dennoch musste er mit ihr sprechen und herausfinden, was sie über Juliette wusste.
Er hatte nur einmal mit Sibela geschlafen und nicht in einer Vollmondnacht. Entsprechend war das Band zwischen ihnen schwach und konnte noch zerrissen werden – was wiederum mit ihrer Hilfe einfacher ginge. Das war der Haken.
Natürlich empfand sie keine tiefe Zuneigung für ihn, sehr wohl aber hatte er gespürt, dass sie eigene Gründe gehabt hatte, ihn zu suchen. Was vermochte sie dazu zu bewegen, jeden Anspruch auf ihn aufzugeben? Er überlegte, was er ihr im Tausch anbieten könnte. Schmuck? Land? Von beidem besaß er reichlich. Er müsste schlicht ergründen, was sie wollte, und es ihr geben – anstelle seiner selbst.
Außerdem musste etwas unternommen werden, um sie zu schützen, doch in diesem Punkt wusste er gegenwärtig keine Lösung. Von seiner Art gab es niemanden mehr auf der Erde: keinen vierten Halbsatyr, der eine überzählige vierte Halbfee heiraten könnte.
Es schien allerdings, als sollten seine Fragen ebenso wie ein weiteres Treffen vorerst aufgeschoben werden, denn obgleich er das Flussufer zweimal in alle Richtungen ablief, waren weder Sibela noch Reste ihres Duftes auszumachen.
»Großartig!«, murmelte er gereizt und warf sich auf eine der Bänke an der Parkmauer, von der aus er das graue Stadthaus mit der roten Tür sehen konnte.
Zweifellos würde Sibela wiederkommen, wenn sie hinreichend geschmollt hatte, und eventuell war es sogar besser, wenn ihre Unterhaltung noch ein paar Tage warten konnte. Sobald der Vollmond vorbei war, wären sie beide in einer klareren Verfassung – geistig wie körperlich. Dann konnte er Feydons Töchter in Ruhe miteinander bekannt machen und sie beide mit sich in die Toskana nehmen. Dort könnten er und seine Brüder gemeinsam ergründen, wer ihre Eltern waren und wie sie beiden gegenüber ihrer Pflicht nachkamen.
Er stöhnte innerlich bei der Aussicht auf Nicks und Raines Reaktionen, wenn er mit zwei Frauen im Schlepptau ankäme statt mit einer. Die beiden würden ihn begeistert mit seinen angeblich magnetischen Fähigkeiten aufziehen.
Als wäre sie durch seine Gedanken herbeigerufen worden, kam eine Frau über den Rasen auf ihn zu, die ihn anscheinend ansprechen wollte.
»Ich bin nicht hier«, brummte er und winkte mit einer Hand ab. Die Frau blieb stehen, schüttelte verwirrt den Kopf und kehrte wieder zur Treppe zurück, von der aus sie auf die Brücke stieg.
Lyon blickte sich um. Niemand sonst war im Park. Sie musste also vom Pont Neuf zu ihm hinabgestiegen sein. Seufzend errichtete er einen milden Zauber um sich, damit er nicht noch mehr Frauen anzog.
Was verlockte sie alle, in solchen Scharen zu ihm zu strömen? War es der Umstand, dass drei Kreaturen mit Anderweltblut hierher nach Paris gekommen waren? In einer menschlichen Stadt, die mit derlei Dingen nicht vertraut war, konnten sie durchaus eine latente Magie bewirkt haben. Die andere Möglichkeit wollte er nicht einmal bedenken: dass die Anderwelt selbst in diese Welt eindrang.
In einem Dachfenster in Valmonts Haus bewegte sich etwas. Während Lyon hinsah, kam Juliette an das Fenster. Das war also ihr Schlafgemach, wie er schon vor wenigen Stunden erraten hatte.
Sie wiederzusehen jagte eine Lustwelle durch seinen Körper. Leider blieb Juliette nicht am Fenster. Sie zog die Vorhänge zu und ließ ihn mit seinem schmerzlichen Verlangen allein.
Normalerweise würde er in dieser Situation eine Nebelnymphe herbeirufen, mit der er die Stunden durchvögelte, die er über Juliette wachte. Nur war deren schimmernder Körper
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