Die Braut des Spuks
Räuspern erschreckte sie heftig. Das Weinen stoppte, sie erstarrte, dann schnellte sie hoch, wollte wegrennen. Meine rechte Hand war schneller und bekam ihre Schulter zu fassen.
Ich zerrte sie herum. Sie rechnete damit, geschlagen zu werden und verdeckte ihr Gesicht mit beiden Armen. »Keine Sorge«, flüsterte ich, »du bist hier sicher.« Erst als ich die Sätze einige Male wiederholte, sanken ihre Arme herab.
»Ist es okay?«
Sie hatte noch ein sehr junges Gesicht. Daß sie mich, den Fremden, vorsieh sah, schien sie zu erleichtern und nicht zu erschrecken. Bestimmt war dieses Mädchen die einzige Person, die sich den Dorfbewohnern nicht angeschlossen hatte.
Wie sich herausstellte, sprach sie kein Englisch, nur einige Brocken Französisch, was auch nicht schlecht war. Ich mußte zwar einige Male nachhaken, doch ich erfuhr, daß alle den Ort verlassen hatten, bis auf die Kinder.
»Wo sind sie?«
»Schlafen.«
»Und mein Freund?«
Angst stahl sich in ihre dunklen Augen, so daß ich schon Furcht um Brett Hawkins bekam. Sie konnte sich nicht erklären, zog mich einige Schritte zur Seite und hockte sich nieder. Mit dem Zeigefinger malte sie etwas in den Staub.
Als Grundmuster diente ein Viereck, in das sie Längs-und Querstreben hineinmalte, so daß ein Gitter entstand. Ich dachte an ein Gefängnisfenster, das schien es aber nicht zu sein, denn sie tippte mit der Fingerspitze gegen das Gitter. Immer und immer wieder, so daß mir ein bestimmter Verdacht kam.
Ich sprach von einer Fallgrube, das Wort kannte sie nicht. Sie deutete jetzt mit beiden Fingern gegen den Boden, und als ich nickte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
»Wo denn?« Das Mädchen stand auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir drangen tiefer in den Ort ein, und ich rechnete auch mit einer Falle, denn trauen durfte ich niemandem, auch dem Spuk nicht. Wir gingen durch eine schmale Gasse und hatten sie kaum betreten, als das Mädchen schneller lief. Neben einem Gegenstand, den ich erst beim Herankommen erkannte, blieb sie stehen.
Es war war ein Netz!
Leer und ausgebreitet lag es auf der staubigen Erde. Ich konnte mir bei diesem Anblick einen Reim darauf machen und wußte Bescheid. Die Bewohner hatten den Engländer mit einem Netz gefangen. Verdammt praktisch dachte ich.
Das Mädchen schaute mich ängstlich an. Als ich lächelte, entspannte es sich wieder.
»Weiter«, sagte ich.
Sie war einverstanden, denn sie nickte heftig und lief vor. Erst jetzt fiel mir auf, daß sie keine Schuhe trug, deshalb konnte sie auch so leichtfüßig und beinahe lautlos laufen.
Mir war nicht bekannt, wo mich die junge Unbekannte hinführen würde, an eine Falle glaubte ich nicht mehr. Das Mädchen log nicht, es hätte sich sonst anders benommen.
Niemand ließ sich blicken. Das Dorf war ausgestorben. Ich hielt mich an der Seite der Unbekannten. Manchmal redete sie auch. Sie wollte mir etwas erklären. Obwohl sie einige Brocken Französisch sprach, konnte sie sich nicht verständlich machen, denn das Problem lag einfach tiefer und war letztendlich auch zu kompliziert.
Ein Begriff allerdings fiel mir immer wieder auf. Sie wiederholte den Namen der Göttin des öfteren und benutzte den Begriff Aschera. Jedesmal zitterte ihre Stimme, wenn sie den Namen aussprach. Dann sah sie so aus, als wollte sie sich an mich klammern, damit ich ihr die nötige Unterstützung gab.
Die Häuser standen nur im Kern des Dorfes dichter zusammen. Als wir ihn hinter uns gelassen hatten, bildeten sich Lücken. Große, dunkle Flecken.
Neben einem Haus, das eine Außentreppe besaß, blieb das Mädchen stehen. Auch ich stoppte meine Schritte und schaute sie an. Sie kam mir vor, als wollte sie etwas sagen. Sie öffnete bereits den Mund, Worte aber folgten nicht.
Dafür weiteten sich die Augen. Die Unbekannte schaute an mir vorbei, in ihr Staunen mischte sich die Angst, und ich merkte das kalte Rieseln auf meinem Rücken.
Langsam drehte ich mich.
Unser Platz war gut. Genau von dieser Stelle aus, zeichnete sich der Gebirgskamm konturenscharf unter dem Sternenhimmel ab. Er bildete ein wunderbares Panorama, ein Motiv für eine Postkarte. Aus dem Massiv stach besonders der Berg Anat hervor. Um ihn herum geschah es!
Es war für mich nicht erklärbar. Das sah aus wie in einem Fantasy-Streifen, denn plötzlich durchschnitten grüne gezackte Speere die Luft wie die Blitze bei einem Gewitter.
In einem wirren Reigen umtanzten sie den Berg. Sie schlugen Kurven, sie drangen von oben in das
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