Die Braut des Spuks
Regierung Jordaniens war die Art des Massivs nicht entgangen. Sein Wuchs, seine Form, sein Material, das sich von dem der anderen Berge unterschied. Als die Männer eintrafen, war es für sie bereits zu spät. Da hatte Aschera schon die erste Phase ihres Erwachens erreicht. Ihre Diener wußten dies, die Europäer nicht. Man sagte ihnen auch nichts. Sie alle wären vernichtet worden, hatten aber Glück, daß der Krieg am Golf dazwischenkam und sie gezwungen waren, das Land zu verlassen. So hat es nur die beiden erwischt, die sich am intensivsten mit dem Problem beschäftigten. Und du hast in London erlebt, was dabei herausgekommen ist.«
»Stimmt. Ich kann bisher alles nachvollziehen, auch wenn es ein wenig viel auf einmal ist. Nur begreife ich dich nicht.«
»Weshalb nicht?«
»Du müßtest doch eigentlich froh sein, wenn deine Braut zurückkehrt. Dann kannst du mit ihrer Hilfe deine Macht vergrößern und dein Endziel, die große Herrschaft, erreichen.«
»Ja, John Sinclair, du denkst im Prinzip richtig. Meine Gedanken jedoch bewegen sich auf anderen Wegen. Ich weiß, daß Astarte, wenn sie denn erscheint, einen Weg einschlagen wird, der nicht dem meinen entspricht. Sie will Macht, sie will herrschen, sie wird versuchen, alles an sich zu reißen und gewisse Gefüge zu zerstören, an die ich mich, so schwer es mir auch gefallen ist, gewöhnt habe. Wenn sie erscheint, wird sie nicht nur ihren Kult aufzubauen versuchen, sondern auch den ihres finsteren Gatten. Sie hängt noch immer an Baal, sie mag ihn, er ist für sie der absolut Höchste. Daran mußt du denken, das heißt, ich habe es getan und habe dir deshalb diesen Hinweis gegeben, dem du auch gefolgt bist, weil du nicht anders konntest, denn so gut kenne ich dich, John.«
Ich mußte lachen, denn so etwas hatte ich selten gehört. Vom Spuk erst recht nicht. »Soll das etwa heißen, daß ich dich im Kampf gegen Aschera unterstützen werde?«
»Das hatte ich gedacht.«
»Du schaffst es nicht allein?«
»Ich bin mir nicht sicher. Wahrscheinlich ja, wenn ich gegen diese antrete, aber da existieren noch ihre Diener, die auf sie warten und die Opfer schon bereithalten. Es sind die Menschen aus Anat. Sie alle warten auf Astartes Rückkehr.«
»Glaubst du denn, daß ich dir helfen werde?«
»Ja.«
Ich nickte in die Schwärze hinein. »Dann laß mich fragen, was dich so sicher macht?«
»Du willst die Ordnung auch nicht weiter gestört sehen.«
»Ich könnte auch der lachende Dritte sein, so wie du es immer gewesen bist.«
»Dann hättest du dich geändert.«
»Man paßt sich eben an.«
»Du wirst nicht anders können, John Sinclair!« sprach er mit harter Stimme. »Denk daran, daß du nicht allein gekommen bist. Wenn du diesen Berg verläßt, wird nichts mehr sein wie zu dem Zeitpunkt, als du ihn betreten hast.«
»Was hat sich geändert?«
»Äußerlich nichts, aber die Bewohner von Anat stehen bereits unter dem Bann der Göttin.«
Ich brauchte den Spuk nicht nach irgendwelchen Beweisen zu fragen, denn ich wußte, daß er nicht gelogen hatte. In der Tat konnte die Macht der Himmelsgöttin die Diener bereits verändert haben. Ich war mir da sogar ziemlich sicher. Da er jedoch auf meine Hilfe so erpicht war, versuchte ich es mit einer Bedingung.
»Ich werde an deiner Seite stehen, doch ich möchte dafür etwas von dir haben.«
Die Augen tanzten wieder. Einmal waren sie oben, im nächsten Moment unten. Wahrscheinlich amüsierte ersieh über meine ›Erechheit‹.
»Bedingungen, John Sinclair?«
»Mehr eine Forderung.«
»Welche.«
»Gib mir den Trank des Vergessens zurück!«
Der Spuk war sprachlos, wenn ich das bei dieser wolkenartigen Erscheinung mal so formulieren darf. Der Trank des Vergessens war etwas Besonderes. Der Spuk hatte mir erklärt, daß er uralt war und die Entstehung der Zivilisationen miterlebt hatte. Nicht nur das, auch die Untergänge hatte er beobachtet. So wußte er sehr genau über Atlantis Bescheid, wo einst ein mächtiger Mann seine Fäden gezogen hatte. Delios, ein Weiser, und der Vater von Kara, der Schönen aus dem Totenreich, die zusammen mit Myxim und dem Eisernen Engel — beide stammten ebenfalls aus Atlantis bei den Flammenden Steinen lebte. Ihr Vater hatte ihr nicht nur das Schwert mit der goldenen Klinge vererbt, sondern auch den Trank des Vergessens, den der Spuk geraubt hatte. Kara trauerte um diesen Trank, denn er brachte es fertig, ihren Geist in andere Dimensionen hineingleiten zu lassen, so daß sie nicht
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