Die Braut des Wuestenprinzen
erschienen war.
Im leichten Galopp ritt sie neben Karim her. Sie genoss die Bewegung des Pferdes unter sich, die trockene Luft und sogar die brennende Sonne. Plötzlich fühlte sie sich stark, so, als könnte sie für immer so weiterreiten. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Hinter Karims Männern, die ihnen nun in Zweier- und Dreiergruppen folgten, war der Weg deutlich zu sehen. Karims Pferd war müde – immerhin hatte es stundenlang zwei Reiter getragen. Sohrabs Pferd hingegen besaß noch viel Kraft, und sie wog nicht viel. Sicherlich konnte sie ihm davonreiten. Aber sie wagte es nicht, in die Wüste hineinzureiten. Und wenn sie versuchte, durch die Männer hindurchzureiten, würden sie sie aufhalten.
Vielleicht hatte er sie hinsichtlich der Landminen belogen …
„Warum sind hier keine Schilder?“, fragte sie unvermittelt.
Fragend blickte Karim sie an.
„Ich meine, keine Warnungen vor Minen“, erklärte sie. „Ich sehe hier keine Schilder.“
Er lachte. „Wer bis hierher gekommen ist, kennt sich entweder sowohl mit dem Weg als auch mit den Minen aus, oder er steht unter göttlichem Schutz. In beiden Fällen sind Schilder überflüssig.“ Dann sah er sie ernst an. „Wenn du meine Warnung missachtest, wird es dir schlecht ergehen.“
In seiner Stimme lag etwas, das ihr verriet, dass er die Wahrheit über die Minen gesagt hatte. Als sie seinen Blick erwiderte, bemerkte sie zum ersten Mal seit ihrer Entführung, wie sehr ihn die vergangenen dreieinhalb Jahre verändert hatten. Der Krieg hatte ihm etwas von seiner Jugend und Vitalität genommen.
„Musstest du … musstest du kämpfen?“, fragte sie.
„Jeder Bewohner Parvans musste kämpfen“, antwortete er kalt. Damit war die Unterhaltung beendet – ganz, wie sie es von früher kannte.
„Ich habe nicht nach jedem Bewohner Parvans gefragt, ich habe gefragt, ob du kämpfen musstest“, hätte sie jetzt erwidern können. Doch was würde das ändern? Die Hoffnung, einmal eine vernünftige Unterhaltung mit Karim Durran zu führen, hatte Elenor längst aufgegeben. Sie war mit Gabriel Horne verlobt und wollte ihn heiraten, und das würde sie auch tun. Falls er noch lebte.
„Ich habe Lust, schneller zu reiten“, sagte sie. „Wo ist der nächste Orientierungspunkt?“
„Ich reite mit dir“, antwortete Karim und trieb seinen Rappen an. Ein kühler, erfrischender Wind kam von den Bergen. Plötzlich war ihr Ärger wie weggeblasen. Sie fühlte sich wie eine von ihnen, wie ein Wüstenkrieger, der für den Sieg und die Freiheit durch den Sand ritt. Als sie Seite an Seite ritten, versetzte es Elenor einen Stich, weil sie sich daran erinnerte, dass sie sich ihm in Momenten wie diesen immer besonders nah gefühlt hatte.
Aber diese Nähe hatte nie wirklich existiert. Karim war niemandem wirklich nah. Trotzdem schmerzte sie der Verlust zum ersten Mal in all den Jahren.
Eine Stunde später erreichten sie die Berge. Durch die zerklüfteten Felsen bahnten sie sich den Weg in Richtung der grünen Täler. Bald würde die Sonne untergehen, und Elenor wusste, dass sie noch mehrere Stunden bis zur Hauptstadt brauchten.
Es war bereits Nacht, als sie den Rand eines Tals erreichten und von ihren Pferden stiegen. Tagsüber, bei Licht, hätten sie den Abhang hinunterreiten können, aber im Dunkeln war das zu riskant.
„Bald erreichen wir die Stelle, wo wir unser Lager aufschlagen werden“, verkündete Karim. Unten im Tal sah Elenor Bäume, und die Luft roch nach frischem Grün und Wasser.
Das war Parvan, wie sie es in Erinnerung hatte. Nicht das grimmige Land des Löwen, sondern das großzügige Land der Milch, des Überflusses.
5. KAPITEL
Sie hatten sich an der Universität kennengelernt. Ihr Vater war Diplomat, und Elenor, die in Kanada geboren und aufgewachsen war, hatte bereits in vielen verschiedenen Ländern gelebt. Weil auch sie die Diplomatenlaufbahn einschlagen wollte, hatte ihr Vater ihr empfohlen, sich auf eine Region zu spezialisieren. So würde sie am ehesten einen Posten im auswärtigen Dienst bekommen.
Elenor hatte sich für den Mittleren Osten entschieden. In ihrer Jugend hatte sie länger in dieser Region gelebt, weil ihr Vater dorthin berufen wurde. Daher fühlte sie sich in diesem Teil der Welt genauso sehr zu Hause wie überall anders auch. Die Region wandelte sich stark, und die politischen Ereignisse überstürzten sich. Hier, so viel stand fest, würden Sachverständige dringend benötigt werden. Die kaljukische Sprache war
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