Die Braut sagt leider nein
da besaß. Ich beschloss, Björn auf keinen Fall auf die Gästeliste zu schreiben, und Alex musste nichts von seinem Anruf wissen. Er wäre nur enttäuscht gewesen.
Alle anderen Freunde und Verwandten zeigten eitle Freude über unsere bevorstehende Eheschließung.
Meine Cousine Susanna rief mich extra aus der Pfalz an, um mir zu danken, da unsere Heiratspläne ihren Bruno endlich auch auf die Idee gebracht hätten. Gleich nachdem sie die Neuigkeit erfahren hatten, sei er vom Sofa aufgesprungen und habe gerufen, dass er's jetzt leid sei.
»Was denn?«, fragte ich und versuchte mir vorzustellen, wie Bruno seine hundertzehn Kilogramm auf eineArt und Weise vom Sofa hochstemmte, die man als Springen bezeichnen konnte.
»Die Steuern. Als lediger Freiberufler zahlt er sich dumm und dämlich«, antwortete Susanna. »Obwohl Bruno vom Fach ist, aber dagegen kann er nichts machen.«
»Außer heiraten«, vermutete ich scharfsinnig.
»Genau«, sagte Susanna glücklich. Vor nicht allzu langer Zeit noch war sie das schwarze Schaf unserer Sippe gewesen, mit blauen Haarsträhnen und irrsinnig flippigen Klamotten, Ohrläppchen und Nase siebenfach ge-pierct, brachte sie Farbe in jedes Familienfoto. Auch ihre Männergeschichten, in denen langhaarige Typen mit verschlissenen Lederjacken und No Future-Aufnä-hern oder aber verheiratete Mittfünfziger mit Mercedes-Coupe und Siegelringen die Hauptrolle spielten, waren legendär. Von meiner Mutter und meinen Tanten, einschließlich ihrer eigenen Mutter, wurde Susanna sprichwörtlich als warnendes Beispiel angeführt, und gerade deshalb war sie mein großes Vorbild. Damit war schlagartig Schluss, als Bruno in ihr Leben trat, zugegebenermaßen zu einem für ihn äußerst günstigen Zeitpunkt. Susannas Studenten-WG hatte sich aufgelöst, und ihr war von zu Hause der Geldhahn zugedreht worden. Dieses verschärfte materielle Sicherheitsmanko führte dazu, dass Susanna noch am Tag des Kennenlernens bei Bruno einzog, sehr zur Freude der Familie, aber zum Schaden meiner Hochachtung. Bruno war weder verheiratet noch langhaarig, sondern ein mondgesichtiger Steuerberater mit hektischen Flecken und einem Kassengestell aus dem Versandhauskatalog, der in seiner Freizeit ausschließlich Leserbriefe verfasste, in denen er seine Rechte als Bürger gegen alles und jedenverteidigte. Er hatte sich bereits in jungen Jahren ein Haus gekauft, das er von nun an mit meiner Cousine teilte. Dafür schmiss sie ihr Studium, entfernte alle Ringe aus Ohren und Nase und lernte nicht nur, Brunos pflegeleichte Polyesterhemden zu bügeln, sondern auch seine Lebensweise ganz und gar zu verinnerlichen.
»Das macht fast sechshundert Mark im Monat aus, wenn ich demnächst nur noch auf Fünfhundertneunzig-Mark-Basis für die Kanzlei arbeite und Bruno mir die Differenz so gibt«, erklärte sie mir flüssig. »Außerdem bekommen wir mehr Bauförderungsgeld, wenn wir jetzt den Dachboden ausbauen. Und auch sonst stehen wir uns viel günstiger. Bruno sagt, er hat dem Staat jetzt lange genug Geld in den Hintern geschoben, jetzt wird endlich geheiratet. Ich bin ja so glücklich.«
»Das ist schön«, sagte ich mit leisem Schaudern.
»Ich bekomme ein Brautkleid von Gitti Geiger für zweitausendfünfhundert Mark«, fuhr Susanna fort. »Das hängt schon seit einem Jahr in einem Schaufenster, an dem ich jeden Tag vorbeikomme, und immer hab' ich mir gewünscht, es wär' mein Kleid. Ich werd's von meinem eigenen Geld kaufen. Es soll eine Überraschung werden, denn Bruno sagt, ich soll was holen, das man später auch noch tragen kann. Aber schließlich heiratet man nur einmal, oder was meinst du?«
Ich stimmte ihr zu. Obwohl in ihrem speziellen Fall keinmal besser gewesen wäre.
Meiner Mutter kamen die Tränen.
»Dein Vater hätte das sicher gerne miterlebt«, sagte sie, und da weinte ich auch ein bisschen. Mein Vaterwar vor fünf Jahren gestorben. Er hatte Alex niemals kennen gelernt.
»Aber er hätte ihn gemocht«, schluchzte ich.
»Ja, das hätte er sicher«, sagte meine Mutter und tätschelte mir den Rücken. Oberhalb der Hüfte kniff sie mir ins Fleisch. »Sieh aber zu, dass du bis zur Hochzeit noch ein, zwei Kilochen abnimmst, Kind.«
Kassandra war wie üblich nicht besonders überrascht. Ich traf sie bei den Mülleimern vor dem Haus.
»Und, habt ihr euch wieder vertragen?«, wollte sie wissen.
»Ja«, sagte ich. »Mehr als das.«
»Ich habe euch auch alle meine gute Energie rüberge-schickt«, sagte sie. »Das
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