Die Braut sagt leider nein
vielleicht war sie bis dahin schon verstorben.
Hilde lächelte verhalten. »Wenn Selma kommt, dann könnt ihr Paula nicht übergehen. Die wohnen ja in einem Haus. Und als Kind mochtest du deine Tanta Paula immer lieber als Selma.«
»Nee, siehst du, so fängt es an«, sagte Alex. »Wir wuss-ten schon, warum wir das ausgemacht hatten. Erst sind es nur Tante Selma und Tante Paula, aber die bringen natürlich Onkel Heinz und Onkel Friedhelm mit, und womöglich noch diese kläffende Schlabberbacke von Boxer. Es bleibt dabei: Eltern und Geschwister, und damit hat es sich.«
Ich drückte wieder seine Hand. Er hatte so eine souveräne Art, sich durchzusetzen.
»Und was ist mit deinem Cousin Jens?« Hilde gab sich noch nicht geschlagen. »Ihr beide wart letztes Jahr auf seiner Hochzeit und habt dort im Hotel übernachtet. Für umsonst! Den Jens könnt ihr jetzt nicht übergehen.«
Alex seufzte. »Es sollte einfach eine kleine, nette Feier werden, im engsten Kreis. Ganz unspektakulär.«
»Eine Hochzeit ist niemals unspektakulär«, belehrte uns Hilde.
Dann fiel ihr etwas ein. »Weiß dein Vater schon Bescheid?«
Ich spürte, dass Alex' Hand in meiner zusammenzuckte, aber seine Stimme war ganz ruhig, als er antwortete: »Wir sind am Freitag zum Abendessen eingeladen. Dann werden wir es ihm sagen.«
»Er wird stinksauer sein, wenn ihr seinen Freund Hugo nicht einladet«, prophezeite Hilde, die sich vor zehn Jahren von Alex' Vater getrennt hatte, weil er ständig stinksauer gewesen war. »Bei Christoph hat Onkel Hugo sogar die Trauung vollzogen.«
»Aber Hugo ist katholischer Priester«, sagte Alex. »Elisabeth und ich lassen uns evangelisch trauen.«
»Wie bitte? Aber warum? Du bist nicht evangelisch!«
»Nein, aber Elisabeth ist evangelisch. Und mir ist es vollkommen egal. Ich hatte eh nie was am Hut mit Kirche, weißt du doch.«
»Ich ja auch nicht«, sagte Hilde. »Aber dein Vater wird toben, wenn er das erfährt.«
Wieder bebte Alex' Hand in meiner. Ich drückte sie beruhigend.
»Das ist uns egal«, sagte ich zu Hilde. »Es ist unsere Hochzeit, und da lassen wir uns von niemandem reinreden.« Auch nicht von dir, setzte ich in Gedanken hinzu. Ich weiß, dass du unserer Beziehung schaden willst, eiskalt und berechnend, wie du nun mal bist, das hat Kassandra in den Karten gelesen.
»Natürlich nicht«, sagte Alex' Mutter überraschend friedfertig. »Ich wäre der letzte Mensch, der sich einmischen würde.«
»Mai geht nicht«, sagte Horst, Alex' Vater. Er war ein großer, kräftiger Mann mit vollem, grauem Haar, gesunder Gesichtsfarbe und wasserblauen, sehr hellen Augen.
Zwischen seinen großen, etwas vorstehenden Zähnen zermalmte er das Schweinefilet so weit vorne, dass man sah, wie das Fleischstück zuerst in Fasern und dann in graubräunlichen Brei verwandelt wurde.
Ich starrte auf meinen Teller. Zum Schweinefilet gab es Kartoffeln und Fenchelgemüse. Ich konnte Fenchelgemüse nicht ausstehen. Nur Kartoffeln und Fleisch für mich, bitte, hatte ich gesagt, aber Horst hatte mir trotzdem Fenchel auf den Teller geschaufelt. Bei ihm musste gegessen werden, was auf den Tisch kam. Demonstrativ schob ich das Gemüse auf die Seite, penibel entfernte ich mit der Gabel einzelne blassgrüne Fasern von den Kartoffeln. Horst registrierte mein Tun mit missmutigen Blicken. Er hielt mich für schlecht erzogen.
»Im Mai geht es nicht«, wiederholte er streng. »Da wollten wir zum Golfen nach Portugal, Sylvia und ich.«
Sylvia war seine zweite Frau, mit der er in dem Haus lebte, das er zuvor fünfundzwanzig Jahre lang mit Alex' Mutter bewohnt hatte. Alex sagte, dass sich überhaupt nichts am Haus geändert habe in dieser Zeit. Dieselben Möbel, dieselben Vorhänge, dieselben Bilder an der Wand. Hilde hatte nichts davon mitgenommen, was ich gut verstehen konnte. Die neue Frau von Horst, Sylvia, hatte offenbar nicht das geringste Bedürfnis, dem Haus ein persönliches Gepräge zu verleihen. Sie begnügte sich damit, frische Blumen in Hildes alten Keramikvasen zu arrangieren. Alex' Vater war das nur recht. Ihm waren Veränderungen jeder Art zuwider.
»Wir hatten aber den Mai ins Auge gefasst«, sagte Alex.
»Unser Portugalurlaub ist jetzt schon monatelang im Gespräch«, sagte Horst. »Ihr könnt genauso gut im Juni heiraten.«
Ich schob mir die ganze Kartoffel in den Mund und drückte sie mit der Zunge an den Gaumen. Horst und Sylvia waren schon in Rente, sie hatten im Grunde das ganze Jahr über Urlaub. Wenn sie
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