Die Braut sagt leider nein
bevor ich die wahre Natur des Mannes durchschaut habe.«
»Hm, hm«, räusperte sich jemand von der Seite. Hanna und ich fuhren erschreckt zusammen. In der offenen Tür stand eine junge Frau im braunen Wintermantel und lächelte verhalten. Sie musste sich hereingeschlichen haben wie eine Katze.
»Womit können wir Ihnen weiterhelfen?«, fragte Hanna.
»Sind Sie Frau Jensen?«
»Nein, das ist sie.« Hanna zeigte auf mich.
Die Frau strich sich eine glänzende blonde Haarsträhne hinters Ohr und musterte mich gründlich. Ihr Blick glitt langsam über mein Gesicht, meinen Oberkörper hinab, seitwärts über die Schreibtischplatte und wieder zurück zu meinem Gesicht.
Mir blieb nichts anderes übrig, als zurückzustarren. Sie war höchstens zweiundzwanzig, mit rosiger, glatter Gesichtshaut, babyblauen Augen und einer kleinen, an der Spitze ein wenig nach oben gebogenen Nase.
»Sie wollten zu mir?«, fragte ich schließlich.
»Ja«, antwortete das Mädchen ernst, aber dann lächelte es ganz plötzlich. Dabei kam eine Reihe winzigkleiner Perlzähnchen zum Vorschein. »Das heißt, ich komme wegen eines Kurses.«
»Um welchen Kurs handelt es sich denn?«
»Mutter und Kind. Sie machen doch Mutter-und-Kind-Kurse, oder?«
»Ja, das ist richtig. Möchten Sie sich anmelden?«
Das Mädchen zeigte wieder ihre Zähne. »Anmelden? Ja, warum nicht?«
Ich warf Hanna einen vielsagenden Blick zu. Wiederso eine psychopathische Mutter, hieß das. Hanna zwinkerte mir zu.
Ich nahm ein Anmeldeformular aus der Schublade und legte es vor mich hin. »Unsere Kontaktkreise sind zurzeit voll belegt, aber ich werde Sie auf die Warteliste setzen. Wenn ein Platz frei wird, werden Sie angeschrieben«, erklärte ich. »Wie alt ist denn Ihr Kind?«
»Wie alt?« Sie machte eine kurze Pause, dann kicherte sie, als hätte ich einen guten Witz erzählt. »Im Grunde ist es noch nicht geboren.«
Ich warf wieder einen Blick zu Hanna hinüber. Die Frau war ganz klar verrückt. Gleich um die Ecke war eine psychotherapeutische Tagesklinik. Vermutlich war sie dort Patientin und machte gerade einen kleinen Spaziergang zwischen zwei Sitzungen. Hoffentlich war sie eine von der harmlosen Sorte.
»Dann ist es für eine Anmeldung ohnehin zu früh«, sagte ich nachsichtig lächelnd und legte das Anmeldeformular zurück in die Schublade, ganz langsam, ohne hastige Bewegungen.
»Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt schwanger bin«, sagte die Verrückte. »Stellen Sie sich das mal vor.«
Hanna räusperte sich. »Sie sind ja noch jung«, sagte sie. »Sie haben Zeit genug.«
»Alexander«, sagte das Mädchen. »So würde ich mein Kind nennen. Nach seinem Papa, verstehen Sie?«
»Wie gesagt, für eine Anmeldung ist es noch zu früh«, wiederholte ich.
Die Frau beugte sich vor und stützte sich mit beiden Händen auf meinem Schreibtisch ab. Dabei verschob sie das Tonschildchen mit meinem Namen, das mir ein Töpferkursus verehrt hatte.
»Elisabeth«, las sie. »Elisabeth, das ist ein altmodischerName. Unter Elisabeth stellt man sich eine ältere Frau vor.«
»Ja, also, wie gesagt«, murmelte ich.
»Wirklich«, fuhr die Irre fort. »Eine Elisabeth ist jemand mit breiten Hüften und strähnigem Haar. Sie haben keine breiten Hüften.« Es klang beinahe wie ein Vorwurf. »Und niemals hätte ich Sie mir mit Locken vorgestellt. Echten Locken.«
Ich bemühte mich um ein neutrales Gesicht, um sie durch nichts zum Weitersprechen zu animieren. Das Mädchen sah mich eine Weile schweigend an.
»Aber Sie haben Falten um die Augen. Das passt wieder zu Elisabeth«, sagte sie schließlich. »Und daran erkennt man Ihr wahres Alter.«
»Ja, ja«, sagte ich. »Auf Wiedersehen.«
»Wiedersehen«, sagte das Mädchen und ging auf leisen Sohlen zur Tür. Dort drehte es sich noch einmal um und kicherte wieder. »Ganz bestimmt sogar.«
»Leute gibt's.« Ich sah kopfschüttelnd hinter ihr her.
Hanna nickte. »Das war wirklich seltsam«, sagte sie. »Als würde sie dich kennen.«
»Ich kenne ja eine Menge Verrückte«, sagte ich überzeugt. »Aber diese da habe ich noch niemals gesehen.«
»Elisabeth«, sagte Hanna. »Findest du das nicht seltsam von der Frau, einfach hier aufzutauchen, nach dir zu fragen und von einem Kind zu labern, das noch nicht mal existiert?«
»Verrückt eben«, erwiderte ich.
»Und das Kind soll Alexander heißen, nach dem Lo-ver«, fuhr Hanna nachdenklich fort.
Ich lachte. »Du bist auch verrückt, Hanna.«
Hanna sah mich besorgt an, aber sie
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