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Die Braut sagt leider nein

Titel: Die Braut sagt leider nein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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am Fahrkartenschalter, aber niemand rührte sich. Der Schalter war schon geschlossen, die Lichter im Verschlag hinter der Glasscheibe bereits gelöscht. Der nächste Zug nach Köln fuhr erst wieder um fünf Uhr morgens. Alle Züge, die um diese Zeit noch verkehrten, fuhren Richtung Süden. Ich überlegte, was ein Taxi nach Hause kosten würde, und verwarf diese Idee sofort wieder.
    »Achtung auf Gleis drei, auf Gleis drei fährt ein der Zug von Freiburg nach Ludwigshafen über Speyer, Schifferstadt, planmäßige Abfahrt dreiundzwanzig Uhr sechzehn«, sagte eine Lautsprecherstimme auf badisch, und da fiel mir meine Cousine Susanna ein, die mit Bruno in einem Dorf in der Nähe von Speyer wohnte.
    Ich stieg einfach in den D-Zug, der an Gleis drei wartete, und schloss mich in der Toilette ein. Bis Speyer musste ich mich viermal übergeben, obwohl mein Magen längst leer war. Zwischen den Brechanfällen hielt ich mich am Waschbecken fest und heulte. Mein Kopf schmerzte zum Zerbersten.
    Mein Mann schlief mit einer anderen. Drei Wochen vor der Hochzeit. Er kannte ihren Zyklus so genau, wie er meinen gekannt hatte, bevor unser Kind gezeugt wurde. Heute ist der vierundzwanzigste Tag, hatte er gesagt, also hatten sie schon seit mindestens vierundzwanzig Tagen was miteinander laufen.
    Ein Brechanfall würgte mich.
    Nein, sie kannten sich schon länger, das alles hatteschon vor Weihnachten angefangen, vor unserem wundervollen, perfekten Weihnachtsfest. Da nämlich war Tanja bei mir vor dem Schreibtisch aufgetaucht und hatte gesagt, Elisabeth sei ein altmodischer Name, und die Falten um meine Augen verrieten mein Alter.
    Alex betrog mich schon länger, vielleicht schon, bevor er mich gefragt hatte, ob ich seine Frau werden wollte. Das hatte er sicher gut durchdacht. Immerhin hatte ich ein Baugrundstück von nicht unbeträchtlichem Wert, außerdem ein festes Einkommen und eine sichere Stelle, Tanja hingegen war eine grundstückslose Praktikantin - oder hast du vielleicht ein Baugrundstück aufzuweisen? - na, siehst du, da war ihm die Wahl wohl nicht so schwer gefallen. Außerdem liebe ich Elisabeth, auf meine Art, hatte er vorhin gesagt. Sie ist ein patentes Mädel.
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich spuckte nur noch Galle. Es war, wie dieser Surffreak namens Björn gesagt hatte, Alex liebte mich nur wegen meines Grundstücks. The gentlemen prefer blondes, Björn hatte es gewusst. Ob Alex vorhatte, die Liaison nach unserer Hochzeit zu beenden? Nach dem Treueversprechen, das ich ihm hinübergefaxt und das er schon beinahe auswendig gelernt hatte? Am Telefon hatte er es mir vorgesprochen. Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.
    Ein erneuter Brechanfall schüttelte mich.
    Vielleicht hatte ihn Tanja abgefragt, ihn verbessert, wenn er sich versprochen hatte. Es heißt, trag den Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue, du Dummer, kannst du dir das nicht merken?
    Leg den Zettel weg, murmelt er, um sie gleich darauf auf den Rücken zu werfen und mit Küssen zu bedecken. Heute ist der vierundzwanzigste Tag deines Zyklus. Du bist die Beste und die Schönste, kleine Wildkatze.
    Ich schluchzte laut. Der Zug legte sich in die Kurve. Matt taumelte ich gegen die Resopalwand und sank in mich zusammen. Mein Leben war zu Ende.
    Erst als der Zug in Speyer anhielt und mir auffiel, dass ich keinen Fahrschein gelöst hatte, waren meine Tränen versiegt. Ich hatte das Gefühl, nie wieder weinen zu können. Nur noch ins Warme, irgendwohin, wo ich schlafen konnte. Hoffentlich war Susanna zu Hause.
    Der Bahnhof lag schon im Schlaf, als ich mit Rucksack und Handtasche auf den Bahnsteig trat. Ich suchte in der nächsten Telefonzelle nach Susannas Nummer, steckte meine Karte in den Schlitz und wartete.
    »Becker-Senfhuhn?«
    »Susanna, ich bin's, Elisabeth.«
    »So spät? Ist was passiert?«
    Ich schniefte. »Ich bin hier in Speyer auf dem Bahnhof. Könntest du mich vielleicht abholen?«
    »Was in aller Herrgotts Namen machst du in Speyer auf dem Bahnhof?«
    »Ich friere«, sagte ich. »Der nächste Zug nach Köln fährt erst um fünf Uhr morgens, und ich weiß nicht, wo ich die Nacht über bleiben soll.«
    »Ich hole dich«, sagte Susanna. »In zwanzig Minuten bin ich da. Schließ dich so lange in der Zelle ein, man weiß ja, was für dunkle, zwielichtige Gestalten sich um diese Zeit auf dem Bahnhof

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