Die Braut von Rosecliff
glücklich, ihrem Bräutigam entronnen zu sein.
Freilich nur vorübergehend… Rand war nun ei n mal ihr Feind, und sie musste ihr Möglichstes tun, um ihn aus Wales zu vertre i ben. Doch als er vom Pferd stieg, ihre Taille umfasste, sie behu t sam auf die Beine stellte und zu einem neu errichteten Bau führte, wusste sie instinktiv, dass er ihr nichts zu Leide tun würde. Vie l leicht würde er sie daran hindern, dieses Lager zu verlassen, vielleicht würde er gegen ihre Landsleute kämpfen – aber er hatte nicht die Absicht, sie zu ver letzen, im Gegensatz zu Owain, dem es Freude berei tete, Menschen zu quälen.
Statt dessen könnte Rand sie jedoch verführen… Er brauchte sie nicht zu vergewaltigen, denn sie würde sich ihm bereitwi l lig hingeben – und hinterher schreckliche Gewissensbisse h a ben…
Er riss die Holztür weit auf. »Hier wirst du wo h nen.«
Josselyn blieb misstrauisch auf der Schwelle stehen und spä h te in den Raum, der warm und gemütlich anmutete: ein Feuer prasselte im Kamin, in den zwei armigen Wandleuchtern bran n ten Kerzen. Doch obwohl sie fror und todmüde war, zögerte Josselyn ein zutreten. »Ich soll dort mit Euch allein sein?«
Lächelnd legte Rand eine Hand auf ihren Rücken und schob sie vor sich her. Während er die Tür schloss, suchte sie Z u flucht hinter dem massiven Tisch, obwohl sie wusste, dass das völlig sinnlos war. Er konnte sie jederzeit mühelos überwält i gen – und, was noch schlimmer war, ein Lächeln von ihm genü g te, um sie zu entwaffnen.
»Entspann dich, Josselyn! Du hast von mir nichts zu befürc h ten.«
Nein, sie würde sich durch ein Lächeln nicht ent waffnen la s sen! Niemals! »Das wagt Ihr zu sagen, nachdem Ihr mich der Freiheit beraubt, gefesselt und geknebelt habt? Und jetzt…«
»Jetzt würde ich dich gern von den Fesseln b e frei en«, fiel er ihr ins Wort. »Aber dazu müsstest du näher kommen.«
Als sie sich nicht von der Stelle rührte, zuckte Rand mit den Schultern, zog seinen Lederharnisch aus und schnallte den Schwertgurt ab. Dann ließ er sich in einen kunstvoll g e schnitzten Lehnstuhl fallen und winkte mit den Fingern. »Komm her, Josselyn. Wenn es dich stört, gefesselt zu sein, musst du den Mut auf bringen, dich mir zu n ä hern.«
»An Mut fehlt es mir nicht«, prahlte sie. »Wir Wali ser sind keine Feiglinge! Aber ich habe allen Grund, Euch zu misstra u en.«
Er bückte sich wortlos und zog seine Stiefel aus. »Wie du willst«, brummte er, griff nach dem Krug auf dem Tisch und schenkte sich einen Becher Ale ein, leerte ihn auf einen Zug, seufzte zufrieden und grins te ihr zu.
»Möchtest du auch Ale, oder trinkst du lieber Wein? Hast du Hunger? Ich selbst bin jedenfalls fast am Ver hungern.«
Josselyn wollte ihm nicht in die Augen schauen, weil sie b e fürchtete, dass sein Hunger sich nicht nur aufs Essen beziehen könnte. Doch ihr eigener Magen knurrte so laut, dass sie ihren Widerstand aufgab. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen konnte man we der essen noch trinken – und Rand hatte ihr i m merhin angeboten, sie von den Fesseln zu befreien.
Zähneknirschend und mit funkelnden Augen ging sie zu se i nem Stuhl und kehrte ihm wortlos den Rücken zu. Eine Bitte brachte sie beim besten Willen nicht über die Lippen.
Rand griff nach ihren Handgelenken und zerrte so heftig an dem Leinen, dass sie nach hinten taumelte näher auf ihn zu. Viel zu dicht an ihn heran, beängsti gend dicht…
Seine Finger waren warm und kräftig, fummelten aber verge b lich an dem straffen Knoten herum. »Ich werde ihn durc h schneiden müssen«, en t schied er und zückte sein Messer. Sein Knie berührte ihr Bein, eine Hand legte sich um ihre Taille. Sie hielt den Atem an.
Dann durchtrennte die scharfe Messerspitze das Lei nen, und sie war frei.
Nicht ganz.
Er hielt sie am Handgelenk fest, während er den Dolch auf den lisch warf, bemächtigte sich auch ihres anderen Arms und drehte sie zu sich herum. »Ich will nachsehen, ob du verletzt bist.«
»Ich bin nicht verletzt. Lasst mich endlich los!«
Rand ignorierte ihre Proteste und schob ihre Ärmel hoch. »Die Haut ist abgeschürft«, stellte er fest.
»Habt Ihr etwas anderes erwartet?«, fauchte sie.
Er schaute sie ernst an. »Ich möchte dir nicht wehtun, Joss e lyn. Aber ich kann dich nicht gehen lassen, das musst du eins e hen.«
Sie sagte sich zum hundertsten Mal, dass sie ihn hassen müsste, weil er ihr die Freiheit geraubt hatte. Doch wie sollte sie einen Mann
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