Die Braut von Rosecliff
Quartier!«, befahl er Josselyn.
Sie lächelte hämisch. »Warum? Vielleicht sind es ja meine Landsleute, die mich befreien wollen.«
Ihre Belustigung war von kurzer Dauer, denn Rand schob sie grob hinter sich und zückte sein Kurz schwert. Ihr wurde klar, dass sie mit dem Feuer spiel te. »Nein!«, rief sie und packte se i ne Hand, die das Schwert hielt. »Es ist nur Rhonwen – das kle i ne Mäd chen, das schon einmal hier war!«
Im selben Augenblick kam aus dem Wald ein Stein angefl o gen, der jedoch nur gegen die Mauer prallte. »Lass sie frei, du Schwein!«, kreischte eine schrille Kinderstimme auf Walisisch. »Lass sie frei, du Schuft, du Unmensch!«
Josselyn spürte, dass Rand sich entspannte, und gleichzeitig kam ihr zu Bewusstsein, dass sie seine Hand umklammerte. Sie zuckte zurück, als hätte sie sich an einer heißen Ofenplatte verbrannt.
Rand schob sein Schwert wieder in die Scheide und drohte dem unsichtbaren Kind mit der Faust. »Verschwinde, kleiner Satansbraten! Mach, dass du nach Hause kommst!«
»Sie versteht kein Wort von dem, was Ihr sagt«, rief Josselyn ihm in Erinnerung.
»Dann sag du ihr, dass sie in Zukunft zu Hause bleiben soll, weil ich andernfalls auch sie gefangen nehmen werde.«
»Das würdet Ihr niemals tun.« Josselyn schüttelte den Kopf. »Es ist eine leere Drohung, das wissen wir beide genau.«
Rand lächelte ihr verschmitzt zu. »Kennst du mich schon so gut?«
Josselyn wandte schnell den Blick ab. Er ist mein Feind, und ich hasse ihn! Sie musste die günstige Situa tion ausnützen, sie durfte sich nicht von seinem sym pathischen Lächeln ablenken lassen. »Die Kleine macht sich Sorgen um mich. Ich werde versuchen, sie zu beruhigen…« Sie räusperte sich und rief laut, natürlich auf Walisisch: »Rhonwen, bist du das?«
»Lauf weg, Josselyn, renn, so schnell du kannst! Wenn er dich verfolgt, werfe ich ihm einen Stein an den Kopf!«
»Was will sie mit dem Stein machen?«, fragte Rand hinter Jo s selyn.
»Sie will ihn Euch an den Kopf werfen«, klärte sie ihn auf.
»Hmm… Sag ihr, dass du hier nicht misshandelt wirst, dass sie nach Hause gehen soll.«
»Hör mir aufmerksam zu, Rhonwen! Wie du siehst, bin ich u n versehrt, aber ich möchte, dass du meinem Onkel eine sehr wichtige Botschaft überbringst.«
»Warum rennst du nicht einfach weg?«, schrie Rhonwen. Der Ast schwankte, ein Fuß tauchte auf, dann der zweite. Mit einem anmutigen Satz landete das Mädchen auf dem Boden. »B e eil dich! Du kannst bestimmt schneller rennen als er.«
»Was hat sie gesagt?«, wollte Rand wissen.
»Es ist nicht leicht, sie davon zu überzeugen, dass ich nicht in Lebensgefahr schwebe. Schließlich hat sie soeben gesehen, dass Ihr Euer Schwert gezogen habt. Verständlich, dass ein Kind dann das Schlimmste be fürchtet. Ich werde ihr wohl noch einige Minuten gut zureden müssen.«
»Dann tu das! Ich kann meine Zeit nicht ewig mit frechen G ö ren vergeuden.«
Josselyn unterdrückte ein triumphierendes Grin sen. »Hör zu, Rhonwen! Sie wollen, dass ich einen Engländer heirate – den Bruder meines Entführers. Sag meinem Onkel, dass er Au s schau nach diesem Mann halten und ihn gefangen nehmen soll, sobald er hier ankommt. Im Austausch gegen ihn werde ich bestimmt freigelassen werden.«
»Einen Engländer heiraten?« Sogar aus dieser Ent fernung konnte Josselyn sehen, dass das Gesicht des Mädchens Entse t zen widerspiegelte.
»Wenn mein Onkel diesen Mann schnappt, wird mir dieses Schicksal erspart bleiben. Du musst es ihm erklären. Glaubst du, dass du das kannst?«
Josselyn betete inbrünstig, dass Rhonwen begreifen würde, wie wichtig dieser Auftrag war. Das Mädchen schob sich die Haare aus dem Gesicht und spuckte auf den Boden.
»Ich hasse diese Engländer! Sie haben meinen Vater umg e bracht. Aber ich werde nicht zulassen, dass sie auch dich u m bringen.«
»Wirst du meinem Onkel Bescheid sagen?«
»Natürlich.«
»Nun?«, fragte Rand. »Sie scheint sich zu beruhi gen.«
»Ich habe ihr gesagt, dass sie sich um mich keine Sorgen zu machen braucht.«
»Dann sag ihr auch noch, welche Sachen du be nötigst. Vie l leicht fühlt sie sich wohler, wenn sie dir irgendwie nützlich sein kann.«
Josselyn warf ihm einen erstaunten Blick zu, den er aber nicht sah, weil er das kleine Mädchen betrachtete. »Also gut«, mu r melte sie verwirrt. »Rhonwen, du kannst noch etwas für mich tun. Sag meiner Tante, dass ich meine Kämme und ein paar Kleidungsstücke brauche. Ich muss
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