Die Braut von Rosecliff
Glieder. »Ich muss einen Augenblick allein sein.«
Der Wachposten schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Lektion gelernt. Horace lässt sich kein zweites Mal hereinl e gen.«
Josselyn stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »Soll ich mein Bedürfnis vielleicht in Gegenwart von zwei Männern verric h ten?«
Horace trat von einem Bein aufs andere, schaute Odo an. »Was meinst du?«
Odo schwitzte, hatte mehlige Arme und einen Fett fleck auf der Schürze. Er warf Josselyn einen verzwei felten Blick zu. »Kö n nen wir eine Abmachung tref fen?«
Sie wollte nein sagen. Von ihr aus konnten alle Engländer verhungern! Doch ihr größter Zorn war mittlerweile verraucht, und deshalb nickte sie wider willig.
Er starrte sie verwundert an. »Ihr übernehmt also wieder das Backen?«
»Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun?«, fragte H o race verständnislos.
Odo erklärte es ihm. »Ich kann sie ja nicht in meine Töpfe pi s sen lassen. Bring sie nach draußen, aber behalt sie im Auge und sorg dafür, dass keiner von Lamonthes Leuten sie sieht.«
Während der wenigen Minuten im Freien konnte sie einige Beobachtungen machen. Lamonthes Män ner standen in der Nähe von Rands Quartier herum. Zweifellos unterhielten die beiden Herren sich drinnen unter vier Augen. Der Nieselregen hielt Rands Arbeiter keineswegs vom Bauen ab. Eine Kaserne, in der vorläufig aber auch Zimmerleute und Maurer wohnen würden, war fast fertig. Spätestens morgen würde das Dach gedeckt sein.
Die Arbeiten gingen viel schneller vonstatten, als sie g e glaubt hatte. Ob Onkel Clyde ihre Nachricht erhalten hatte, dass Rands Bruder erwartet wurde? Und wenn ja – würde er ihn entführen? Und würde Owain wieder versuchen, sie zu entführen?
Auf dem Rückweg in die Küche fragte sie Horace: »Wie geht es Alan?«
»Ihr habt doch nicht etwa irgendwelche Schuldge fühle?«
»Ich habe dir eine einfache Frage gestellt. Wie geht es ihm?«
»Er lebt«, knurrte Horace, während er die Kü chentür aufriss und sie hinein winkte. »Mehr weiß ich nicht.«
Josselyn ging schweigend zum Backofen und legte Eichenholz nach. Alan war fast noch ein Junge, und es tat ihr Leid, dass er bei Owains Überfall so schwer verwundet worden war. Dann rief sie sich ins Ge dächtnis, dass viele andere Engländer und auch viele Waliser leiden würden, bevor dieser Kampf beendet war. Sie durfte kein Mitleid mit englischen Kriegern haben, die ihr Land an sich reißen wollten.
Soldaten kämpften, wurden verwundet, starben… Das war nun einmal der Lauf der Welt, ebenso wie das Schicksal der Frauen, zum Wohl ihrer Familie einen ungeliebten Mann zu heiraten.
Während sie Teig knetete, Laibe formte und in den Ofen schob, versuchte sie, weder an Owain noch an Jasper Fitz Hugh zu denken – und schon gar nicht an Rand. Sie dachte an die U n terhaltung zurück, die sie vor gar nicht langer Zeit mit Newlin geführt hatte. dös Ende des Winters ist nahe… Das Ende ihres alten Lebens, der Beginn einer neuen Jahreszeit für sie und vie l leicht auch für ihr ganzes Volk.
Der Frühling kündigte sich mit frischem Grün an. Die Natur erwachte zu neuem Leben, alles wuchs alles, sogar die Steine…
Würden die wilden Kletterrosen auf den Klip pen sich eines Tages auch um die Mauern einer mäch tigen Burg ranken? Und wenn ja – wer würde die zar ten Blüten pflücken? Englische oder walisische Frau en?
Niemand konnte vorhersagen, was die Zukunft bringen würde… nicht einmal Newlin, der weise Barde…
17
Das Mittagessen konnte man allenfalls als genießbar bezeic h nen. Die Hälfte des Brotes war hart wie Stein, der Fischeintopf schmeckte fade. Um so besser, dach te Josselyn später, während sie beobachtete, wie die Sonne hinter dichten Wolken ve r schwand. Solche Mahlzeiten würden Lamonthe bestimmt vera n lassen, seinen Besuch möglichst schnell zu beenden. Sie hatte begriffen, dass er auf Rosecliffe nicht willkommen war, dass zwischen ihm und Rand kein herzliches Verhältnis bestand. Seine Begleiter und Rands Solda ten beäugten sich sogar mit kaum verhohlenem Miss trauen.
Das war sehr interessant. Sie hatte bisher geglaubt, die En g länder bildeten eine geschlossene Front und seien deshalb im Vorteil gegenüber den Walisern, wo ein Stamm den anderen, eine Familie die andere be fehdete. Jetzt stellte sich aber heraus, dass auch die Engländer trotz gegenteiliger Beteuerungen i h res Königs nicht ein Herz und eine Seele waren.
Wozu war Lamonthe nach Rosecliffe
Weitere Kostenlose Bücher