Die Braut von Rosecliff
»Ich verstehe gar nichts mehr«, gab sie zu.
»Du sprichst nicht von Politik, sondern von deinen persönl i chen Gefühlen.«
Josselyn nickte resigniert. »Ich bin völlig durchein ander… Aber du bist bestimmt nicht hergekommen, um die Verwirrung meiner Gefühle zu analysieren. Erzähl mir lieber, was los ist. Macht Tante Nesta sich große Sorgen? Hat Rhonwen meine Botschaft über bracht? Hält mein Onkel das für einen guten Plan?«
»Ein klares Ja auf alle drei Fragen.« Newlin begut achtete Rands Besitztümer, fuhr mit einem Finger über das Tintenfass und drei Schreibfedern, nahm eine Pergamentrolle in die Hand, klopfte auf eine große Truhe. »Ich glaube, er geht dir aus dem Weg.«
»Onkel Clyde?«
Der Barde lächelte. »Nein – Randulf Fitz Hugh.«
Josselyn runzelte die Stirn. »Er hat auch allen Grund d a zu.«
»Sein Bruder kommt.«
»Wurde er schon gesichtet?«, fragte sie aufgeregt, mit lautem Herzklopfen. Sollte ihr Plan tatsächlich klappen?
Newlin legte den Kopf zur Seite und blickte in die Ferne. »Sie nehmen ihn gerade gefangen, südlich von Bryn Mound, in der Nähe der Furt unterhalb von Raven Hill.«
»Jetzt? In diesem Augenblick?« Josselyn starrte den Barden an und bekam eine Gänsehaut. Woher konnte er das wissen? Aber sie zweifelte nicht an sei nen Wo r ten. Newlin besaß hellseherische Gaben, und er war hergeko m men, um sie zu informieren. »Was wird als Nächstes gesch e hen? Was wird mein Onkel tun?«
»Ich vermute, dass Owain seinen Gefangenen fol tern wird«, erwiderte Newlin nüchtern.
»Owain hat sich eingemischt?«, rief Josselyn er schrocken.
»Du bist seine Verlobte, und dass dein Onkel ihn verdächti g te, dich entführt zu haben, hat ihn sehr ver stimmt. Er hat viele junge Dorfburschen aufgehetzt und ihnen eingeredet, dass dein Onkel ein Feigling ist, der sich nicht traut, seine Nichte mit Gewalt zu befreien.«
Eisige Schauer liefen Josselyn über den Rücken. »Owain hat ein englisches Boot in Brand gesetzt und Alan schwer verwu n det!«
»Ja.«
»Und jetzt befindet Jasper Fitz Hugh sich in seiner Gewalt?«
»So ist es.«
Josselyn ließ sich auf einen Hocker fallen. Jeder Mensch, der Owain ausgeliefert war, tat ihr Leid, sogar dieser Jasper, auch wenn dessen Gefangennah me ihr die Freiheit bescheren würde. Vergeblich rief sie sich ins Gedächtnis, dass im Krieg alle Mi t tel erlaubt waren. Menschen wurden verletzt, Menschen wurden getötet…
Sie hatte getan, was sie für richtig hielt, und sie konnte es nicht mehr rückgängig machen. »Weiß Rand schon B e scheid?«, murmelte sie unglücklich, von Gewissensbissen geplagt. Natürlich war es eine törichte Frage, denn selbst im G a lopp brauchte ein Reiter mehr als drei Stunden, um von Raven Hill nach Rosecliffe zu gelangen. »Wirst du es ihm erzählen?«, korrigierte sie sich.
»Ich habe ihn nirgends im Lager gesehen.«
Josselyn seufzte wieder. Auch sie hatte Rand seit zwei Tagen nicht gesehen – und diese zwei Tage kamen ihr wie eine Ewigkeit vor. »Seine Leute wer den dir bestimmt sagen, wo du ihn finden kannst.«
»Wenn er es erfährt, musst du damit rechnen, dass er seinen Zorn an dir auslässt.«
Ein eisiger Schauer lief Josselyn über den Rücken. Der weise Barde hatte ausgesprochen, was auch sie selbst befürchtete. »Mein Onkel wird doch bestimmt nicht erlauben, dass dieser Mann gefoltert wird.«
»Er wird zweifellos versuchen, es zu verhindern.«
»Wird es ihm gelingen?«
Newlin zuckte resigniert mit der einen Schulter, die er bewegen konnte.
Josselyn sprang erregt auf. »Das hätte nie passieren dürfen! Me i ne Botschaft war ausschließlich an Onkel Clyde gerichtet. Warum hat er Owain ins Vertrauen gezogen? Er hätte doch wissen mü s sen, dass das ver hängnisvolle Folgen haben kann. Rand wird mich nie mals freilassen, wenn Owain seinem Bruder etwas zu Leide tut – und er wird es uns niemals verzeihen. Er wird Jaspers Tod rächen, und dann werden die Kämp fe nicht mehr abreißen. Newlin, du musst Owain zur Vernunft bringen, bevor es zu spät ist!«
»Das steht nicht in meiner Macht, Kind. Du solltest jetzt lieber über deine eigene Situation nachdenken.«
»Hat Owain überhaupt die Absicht, Jasper gegen mich ausz u tauschen?«
Es dauerte lange, bis Newlin antwortete. »Es wird dir schon bald möglich sein, in Owains Familie einzu heiraten.«
Josselyn schüttelte heftig den Kopf. »Ich könnte nie mals einen so blutrünstigen und grausamen Mann wie Owain heiraten, der se i ne
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