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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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selbst fing. Doch Wild war rar, und bei den zugefrorenen Teichen war es eine mühselige, ja oft unmögliche Aufgabe, Fisch zu beschaffen. In seinen Träumen dufteten goldene Brotlaibe, dampfte weißer Fisch, und saftige rote Äpfel knackten in seinem Bauc h v oller Sand und Knorpel und Knurren. Er wäre für das kleinste bißchen dankbar gewesen, wenn es nur aufzutreiben gewesen wäre.
     
    E s kamen Leute, um sich behandeln zu lassen; er machte sich nicht mehr die Mühe, seine Heilkunst zu verbergen; denn unter dem Landvolk war allgemein bekannt, was er für die verwundeten Brüder, Söhne und Ehemänner getan hatte. Meilenweit kursierten Legenden über seine barmherzigen Taten. Und er war der einzige Arzt, den es nördlich von Paris noch gab; jedenfalls schien es so, wenn die Ströme von miserables vorsprachen. Oft konnte er nichts für die Armen tun, die unter den Krankheiten der Entbehrung litten und voller Hoffnung bei ihm vorsprachen; meist schickte er sie mit wenig mehr als ermutigenden Worten nach Hause. Diejenigen, denen er helfen konnte, waren selten in der Lage, ihm irgend etwas zu bezahlen, obwohl er ihnen für seine Dienste auch keine Bezahlung abverlangte. Manchmal brachte jemand einen Streifen getrocknetes Fleisch, einen wurmigen Apfel oder eine Brotkruste mit; denn Nahrung war das einzige Zahlungsmittel, an dem in jenem langen Winter von 1359 irgend jemandem lag. Er war dankbar für das, was man ihm brachte, und das meiste davon gab er Kate. Wenn jemand an die Tür des Langhauses klopfte, empfand er keine Erregung mehr, und es kümmerte ihn nicht mehr, ob die Agenten von König Edward endlich erschienen, ihn festzunehmen. Sollen sie doch kommen, dachte er oft mit resignierter Bitterkeit, wenn sie nur Essen mitbringen.
    An einem kalten und sonnigen Morgen im Spätwinter, als die Luft viel wärmer und die Eiszapfen viel kleiner hätten sein sollen, ertönte an der Tür ein Klopfen, das sich irgendwie von den übrigen unterschied. Es klang fester – mit einer gewissen Kraft ausgeführt. Die Bauern, die seine Hilfe suchten, klopften stets in aller Demut, da sie ja kaum mehr taten als betteln. Doch dies war nicht das Klopfen eines elenden Kranken. Zum erstenmal seit langem griff Alejandro nach seinem Messer, bevor er öffnete.
     
    D as Klopfen ertönte erneut, noch lauter diesmal, und Kates Gesicht verriet Unruhe. Ihre Stunde ist so nahe, dachte Alejandro; bitte laß es keinen Räuber sein oder einen Ritter, der noch mehr plündern will …
    Mit dem Messer in der Hand schob er den hölzernen Riege l z urück und öffnete die Tür nur einen Spalt. Draußen stand ein großer Mann in einem dunklen Reitumhang, eine massige schwarze Gestalt vor dem Grauweiß des Schnees. Da die Sonne hinter dem Fremden schien und Alejandro wegen seiner Unterernährung schlecht sah, erkannte er das Gesicht des Mannes nicht.
    » Arzt? « hörte er.
    Die Stimme war ihm vertraut, aber in seiner Benommenheit wußte er auch sie nicht einzuordnen.
    Dann kam: » Kollege? «
    Alejandro wäre beinahe ohnmächtig geworden.
    I hr seid hier nicht willkommen, hatte Alejandro gesagt, als er versuchte, die Tür zuzuschlagen.
    Aber de Chauliac hatte sich mit der Schulter gegen die Tür gestemmt und sich ins Haus gedrän gt. Er war seinem geschwächten Kollegen sowohl an Kraft als auch an Willen überlegen.
    Willkommen bin ich nicht, aber ich werde gebraucht.
    Jetzt sah der Franzose in schweigender und schuldbewußter Verlegenheit zu, wie Alejandro über die Nahrungsmittel weinte, die er aus Paris mitgebracht hatte, und sie dem erbärmlich dünnen, hochschwangeren Mädchen reichte, das jedes Bröckchen verschlang wie ein ausgehungertes Tier.
    Nachdem er auch selbst seinen Hunger gestillt hatte, dachte der Jude einen Moment daran, seinen Besucher anzugreifen und ein für alle Male niederzumachen. Aber er war klug genug zu erkennen, daß seine Kräfte das nicht zuließen, und vernünftig genug, von einem so gewalttätigen Verlust Abstand zu nehmen.
    Also fragte er nur: » Wie habt Ihr mich gefunden? «
    » Ich wußte seit dem Tag, an dem Ihr herkamt, wo Ihr wart. Unter Euren Soldaten befand sich ein Spion. Einer der Wachmänner, die Ihr so von Herzen verachtet und so schlau überlistet habt. Aber Ihr habt ihn nicht bemerkt; der Mann hat sich unter Euren Tausenden sehr diskret bewegt. Und Ihr wart ziemlich beschäftigt, das hat er jedenfalls berichtet. «
    » Und ist er …? «
    » In der Schlacht umgekommen? Beinahe. Aber Eure Tochter hat sich

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