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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Chauliacs Pferde auf dem Hinweg hinterlassen hatten. In den Wäldern ringsum herrschte unheimliche Stille, denn das Wild war größtenteils verschwunden, und die Vogelwelt noch nicht zurückgekehrt. Der Schnee dämpfte alle Geräusche bis auf das gelegentliche Brechen eines Astes, der die Last des Eises nicht mehr zu tragen vermochte. Am Straßenrand sah Alejandro ab und zu die unverkennbare Form eines Schädels, von frischem Schnee bedeckt, oder eine Erhebung, bei der es sich nur um die sterblichen Überreste irgendeines armen Schluckers handeln konnte. Einst war diese Straße auf beiden Seiten von Scheiterhaufen gesäumt gewesen, denn wenn Brennholz zu finden und genug Zeit gewesen war, hatten diejenigen, die noch die Kraft dazu besaßen, die Toten verbrannt. Rot hatten die Flammen gelodert, und mit jedem Atemzug drang einem der ekelhafte Gestank in die Lungen. Wenn er die Augen schloß, konnte Alejandro noch immer die Schreie der Männer hören, die auf der Straße nach Compiègne gestorben waren, das Heulen der Verwundeten, die Hufschläge von Navarras Pferd, als er mit dem hochfahrenden Coucy an der Seite eintraf, um sich behandeln zu lassen.
    Sie passierten das Stadttor von Paris ohne Zwischenfälle, denn de Chauliac hatte den Zeitpunkt ihrer Ankunft vorher angekündigt. Die Straßen waren still und nahezu verlassen bis auf die in wollene Umhänge gehüllten Ausrufer, die den Bewohnern der fest verschlossenen Häuser die Stunde verkündeten; die Glücklichen, die noch Brennstoff hatten, kauerten bei mageren Mahlzeiten beieinander. Die Geschäfte waren mit Läden verschlossen oder mit Brettern vernagelt, die Cafes dunkel und still. Und als sie an Notre Dame vorbeiritten, sah Alejandro keine Arbeiter auf dem Gerüst, und er hörte auch nichts von dem Gesang, der die Nähe dieser Bastion christlicher Exzesse erträglich gemacht hatte.
    Auf dem Vorplatz gab es keine Tauben mehr.
    Endlich! Man h at sie gegessen! dachte er erfreut.
    Schließlich überquerten sie die zugefrorene Seine zu de Chauliacs Haus in der Nähe der Universität. Als Alejandro durch da s s chwere Portal trat, spürte er zum erstenmal seit vielen Monaten richtige Wärme.
    Sie wurden sofort in getrennte Zimmer geführt, und darin fanden sie alles, was für ein anständiges Leben nötig war – wieder erwies sich de Chauliac als rücksichtsvoller Gastgeber. Sauberes Wasser, frische Kleider, Bürsten für die Zähne, Kämme und Bänder für Kates Haar – alles war mit erlesener Sorgfalt ausgebreitet. Während Alejandro sich wusch und anzog, die Gedanken endlich frei von der Sorge um das nackte Überleben, begann ein ungewohntes Gefühl in ihm aufzusteigen, ein Empfinden von Dringlichkeit und Angst vor der Aufgabe, die zu erfüllen man ihn gerufen hatte.
    Konnte er das noch einmal tun? Letztes Mal, als er die Pest besiegt hatte, war es seine eigene Krankheit und Kate noch sehr klein gewesen. Sie hatte mit ihrer Willenskraft für ihn getan, was er bei Adele nicht geschafft hatte: In seinem Delirium zwang sie ihn, den gräßlichen Trank zu schlucken, der seine einzige Hoffnung auf Heilung war. Mit ihren kleinen Händen hatte sie seinen Mund und seine Nase zugehalten, bis er nur noch die Wahl hatte, entweder zu schlucken oder zu ersticken. Und obwohl ihm der Tod damals vielleicht willkommen gewesen wäre, schluckte er doch. Er hatte überlebt, und in den Jahren seither hatte das Mädchen diesen Moment immer als einen der schwierigsten ihres Lebens beschrieben, schwieriger noch als der, in dem sie zusehen mußte, wie ihre Mutter der Krankheit erlag.
    Sollte sie abermals solch eine Kalamität durchmachen, wo doch ihre Niederkunft so nahe bevorstand?
    Nein, dachte er entschieden, das kann ich nicht zulassen.
    Und darum sagte er ihr, als sie sich im Vestibül wieder trafen, sie müsse bei de Chauliac zurückbleiben.
    » Père! Niemals! «
    » De Chauliac, überzeugt Ihr sie von ihrer Torheit. Sagt Ihr, daß sie hier bei Euch bleiben muß. «
    » Das würde ich ja, Kollege, aber meine Worte wären vergeudet – denn ich selbst habe nicht die Absicht, Euch allein gehen zu lassen. «
     
    S chweigend wurden sie durch das Schloß geführt. Alejandro hatte beinahe das Gefühl, vor Schuldgefühlen zu schrumpfen, als er da s v ertraute Gebäude durchschritt, und er fürchtete die Wiederbegegnung mit der Gräfin. Seine erste Geste müßte mit Fug und Recht darin bestehen, vor ihr auf die Knie zu fallen und für die Falschheit seiner Liebe um Vergebung zu

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