Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
gezwungen ist, im Schlaf ihr Gehör abzuschalten.)
Stattdessen kommt, alarmiert vom Krach, der Max zurück in der Küche. In der Türe bleibt er stehen und sieht sich mit großen Augen um, ohne ein Wort zu sagen. Der Schemel hat im Geschirrschrank dafür gesorgt, dass kein Teil mehr heile scheint. Und das schöne Büfett von der Omi ist wohl endgültig Sperrmüll, denn die Tür ist richtig eingetreten und wohl eher nicht mehr zu reparieren.
» Scheiße«, sagt er, beinahe tonlos.
Er schüttelt sich, als wolle er den Schrecken loswerden, dann macht er ein paar Schritte in den Raum. Das zerbrochene Geschirr knirscht unter seinen Füßen.
» Scheiße«, sage ich.
Der Max sieht mich an, dann zieht er die Schultern hoch und wirft den Schemel auf den Haufen mit dem zerdepperten Geschirr.
» Scheiße«, sage ich noch einmal.
Der Max seufzt, dann guckt er mir in die Augen.
» Weißt du was?«, sagt er.
» Was?«, frage ich.
» Ich finde, wir müssen hier sowieso mal renovieren.«
Sechs Wochen später …
29
Eines muss ich zugeben: Mit meiner Aussage über die Leberkassemmel, die am allerbesten beim Metzger Bachhuber an der Theke schmeckt, habe ich mich geirrt. Denn noch viel besser als bei ihm im Laden schmeckt so eine Bachhuber-Semmel eindeutig hier unten am Weiher, im Schatten des alten Kahns. Vor allem, wenn die Oktobersonne noch richtig sommerlich scheint, wenn du alte Arbeitsjeans und einen fleckigen Kapuzenpulli trägst und es in der Ferne sägt und bohrt und hämmert. Saugut schmeckt sie hier sogar. Mit echtem Händlmaier’s-Senf – einfach ein Traum.
Gut, dass ich mir noch eine zweite geholt hab.
Ich ziehe sie aus der Papiertüte. Die erste habe ich mit ein paar schnellen Bissen verputzt, aber die zweite, die genieße ich. Und wie ich so vor mich hin kaue, muss ich wieder einmal daran denken, dass es im Leben halt doch vor allem darum geht, die Dinge aufs Wesentliche zu reduzieren. Nicht nur das Essen, aber das schon auch. Da haben die japanische und die bayerische Küche doch einiges gemeinsam, nicht wahr? Eine rösche Semmel, guter Senf, ein gschmackiger Leberkäse, fertig ist das Festgericht. Und in Japan käme auch keiner auf die Idee, sich auch noch Blaukraut, Zwiebeln, Gurken, Tomaten und vier verschiedene Saucen ins Sushi zu drehen, oder?
Ein Riesenschmarrn, diese Döner.
Ich verzehre den letzten Bissen, schlecke mir die Finger ab und versenke sie anschließend kurz im Weiher, um die klebrigen Reste des Senfs abzuspülen. Dann trockne ich mir die Hände am Pulli ab, exe die Apfelschorle, die ich mir in eine Flasche Adelholzener gefüllt habe, und lehne mich noch einmal zurück.
Aua. Jetzt überrollt mich die Erschöpfung aber. Alles tut mir weh, wirklich alles, Schultern, Arme, Rücken. Auf der Stelle einschlafen könnte ich, im Ernst. Ich werde froh sein, wenn ich den morgigen Tag überlebt hab.
Hinter meinem Rücken nähern sich Schritte, relativ zielstrebig kommen sie auf mich zu. Ich will mich noch ducken, aber das ist natürlich zwecklos. Männo! Ich will doch nur mal kurz meine Ruhe!
» Fanny?«, plärrt das Omilein.
» Ja?«
» Fanny?«
» Ich mach grad Brotzeit!«
In diesem Moment bereue ich es zutiefst, die zweite Leberkassemmel nicht noch langsamer gegessen zu haben. Weil das Wort Brotzeit natürlich viel plausibler klingt, wenn man auch etwas zu essen am Mann hat. So, wie ich da am Boden flacke und die Beine von mir strecke, sieht es natürlich aus, als würde ich mich bloß vor der Arbeit drücken.
» Fanny?«
Die Omi steht jetzt schnaufend vor mir und ich blicke an ihr hinauf. Wie sie da steht in ihrem Kochschurz, Haxen wie ein Sack voll Hirschgeweih – wirklich, eine unnachahmliche Aussicht.
» Fanny, i brauchat di zum Wursten.«
Jessas, das war ja mal wieder klar. Nicht eine Minute darf man in diesem Hause mal seine Ruhe haben.
» Frag doch erst amoi den Papa«, sage ich, recht waghalsig. » I hab heit no ned eine Minute Pause gemacht.«
Die Omi atmet schnaufend aus.
» Der Papa, der will si, fürcht i, schonen«, sagt sie abfällig.
» Wieso?«, frage ich unschuldig.
» Weil er sich irgendwo versteckt hat. In der Scheune is er ned, im Haus is er ned – i tat vermuten, dass er beim Doktor Anselm untergeschlupft is.«
Ich verdrehe die Augen. Das würde ja mal wieder passen. Der Doktor Anselm ist der Spezi, der ihm damals die Simulanten-Schiene verpasst hat, also ein Kumpel, auf den er in Notsituationen wie dieser hier zählen kann. Und eine Notsituation ist
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